Es ist das Jahr 2025. Auf einer abgelegenen Farm in Massachusetts sitzt ein alter Mann. Sein Haar ist weiß, die Bewegungen sind langsamer geworden, doch die Augen – dieses unverkennbare, stechende Stahlblau – sind geblieben. Terence Hill, die Legende, der Held unserer Kindheit, ist 86 Jahre alt. Und er ist fertig mit dem Schweigen.
Jahrzehntelang war er das Gesicht der Unbeschwertheit. Wenn er an der Seite von Bud Spencer die Fäuste fliegen ließ, war die Welt für Millionen Deutsche in Ordnung. Er war der charmante Schlitzohr, der „Niemand“, der es mit allen aufnahm. Doch heute wissen wir: Das Lächeln war oft nur eine Maske. In einem bewegenden Interview, das wie ein Beben durch die Filmwelt geht, hat Hill nun ein dunkles Kapitel seiner Geschichte aufgeschlagen. Er nennt vier Namen. Vier Personen, denen er nie vergeben hat. Es ist eine Abrechnung, nicht aus Rache, sondern aus dem tiefen Bedürfnis, endlich die eigene Wahrheit zu besitzen.
Der Raub der Identität: Giuseppe Colizzi
Der erste Name auf seiner Liste führt uns zurück in das Jahr 1967. Mario Girotti war ein talentierter italienischer Schauspieler, der davon träumte, ernsthafte Rollen zu spielen. Doch Giuseppe Colizzi, der Regisseur und Produzent, hatte andere Pläne. Er sah in Girotti kein Individuum, sondern ein Produkt für den amerikanischen Markt. „Gott vergibt… Django nie!“ war der Film, der alles veränderte.
Colizzi stellte Girotti vor vollendete Tatsachen: Ändere deinen Namen oder verschwinde. Innerhalb von 24 Stunden musste Mario Girotti sterben, damit Terence Hill geboren werden konnte. Hill beschreibt diesen Moment heute als einen Akt der Gewalt gegen seine Seele. Er wurde seiner Wurzeln beraubt, gezwungen, eine amerikanische Maske zu tragen, die er nie wollte. Es war der erste Schritt in einen goldenen Käfig, dessen Gitterstäbe aus Ruhm und Geld bestanden.

Der kreative Kerker: Enzo Barboni
Der zweite Name trifft das Herz der Spencer-Hill-Fans: Enzo Barboni, der Regisseur der legendären Trinity-Filme („Die rechte und die linke Hand des Teufels“). Was für uns im Kino wie pure Spielfreude aussah, war für Hill hinter den Kulissen ein ständiger Kampf. Barboni, so enthüllt Hill, war ein Diktator des Drehbuchs.
Hill wollte Tiefe, er wollte seinen Charakteren Nuancen geben. Doch Barboni bügelte alles nieder. Er sperrte Hill in die Rolle des ewigen Clowns, des harmlosen Spaßmachers. Jede kreative Idee, jeder Versuch Hills, aus dem Schema F auszubrechen, wurde ignoriert oder lächerlich gemacht. Hill fühlte sich nicht als Künstler, sondern als Marionette, die auf Kommando grinsen musste, während sie innerlich vor Wut kochte.
Die fremde Stimme: Rainer Brandt
Der dritte Name auf der Liste ist für das deutsche Publikum der schockierendste. Rainer Brandt. Der Synchronpapst, der das „Schnodderdeutsch“ erfand und die Filme in Deutschland erst zu Kultklassikern machte. Wir haben gelacht über Sprüche wie „Hat dir schon mal einer mit einem Vorschlaghammer einen Scheitel gezogen?“. Wir liebten diese freche, respektlose Art.
Doch für Terence Hill war diese Synchronisation ein Verrat. Brandt machte aus dem eher zurückhaltenden, sensiblen Hill eine vorlaute Quasselstrippe. Hill erkannte sich in den deutschen Fassungen nicht wieder. Er hasste das Bild, das Brandt von ihm zeichnete. Während Deutschland ihn feierte, litt er darunter, dass ihm eine Persönlichkeit übergestülpt wurde, die seinem wahren Wesen vollkommen widersprach. Es war, als würde ihm jemand eine fremde Stimme in den Mund legen, die er nicht mehr loswurde.
Die kalte Gier: Italo Zingarelli

Der letzte Name steht für die Kälte der Industrie: Italo Zingarelli. Der Produzent, der mit Filmen wie „Zwei bärenstarke Typen“ Millionen scheffelte. Für Zingarelli war Hill keine Legende, sondern eine Investition. Er forderte Output, immer mehr, immer schneller. Hill wurde von Set zu Set gehetzt, ohne Pausen, ohne Rücksicht auf sein Privatleben oder seine Gesundheit.
Als in den 80er Jahren der Erfolg langsam nachließ und Hill versuchte, sich mit „Don Camillo“ neu zu erfinden, zeigte die Industrie ihr wahres Gesicht. Zingarelli und die anderen ließen ihn fallen wie eine heiße Kartoffel. Sie suchten sich neue, jüngere Stars. Für Hill war das der ultimative Beweis: Er war nie geliebt worden, er war nur benutzt worden.
Die späte Freiheit
Warum spricht er erst jetzt? „Ich habe geschwiegen, um zu heilen“, sagt der 86-jährige Hill heute. Jahrzehntelang trug er die Last des dankbaren Stars, der nicht klagen darf. Doch nun, im Winter seines Lebens, will er nicht mehr die Rolle spielen, die andere für ihn geschrieben haben.
Diese Enthüllung ist schmerzhaft, besonders für uns Fans. Sie zwingt uns, die Filme, die wir lieben, mit anderen Augen zu sehen. Wir sehen das Lächeln, aber wir ahnen nun die Tränen dahinter. Terence Hills Geschichte ist eine Mahnung, dass Ruhm einen grausamen Preis haben kann. Aber sie ist auch ein Zeichen von Stärke. Indem er die Namen nennt, holt er sich die Macht zurück. Er ist nicht mehr Mario Girotti, das Produkt. Er ist Terence Hill, der Mann, der seine eigene Geschichte schreibt. Endlich.

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