Es ist ruhig geworden um Frank Schöbel. Der Mann, der als der „ewige Sunnyboy“ des Ostens in die Geschichte einging, sitzt heute oft allein in seinem Sessel und blickt auf ein Leben zurück, das so glanzvoll wie schmerzhaft war. Mit 82 Jahren, kurz vor seinem 83. Geburtstag, scheint das Lächeln, das jahrzehntelang sein Markenzeichen war, einer tiefen Ernsthaftigkeit gewichen zu sein. In einer Welt, die ihn längst vergessen zu haben scheint, bricht er nun sein Schweigen. Seine Worte treffen wie späte Pfeile in das Herz einer Branche, die vor allem eines liebt: den schönen Schein.

„Ich habe zu vielen Menschen vertraut“, sagt Schöbel leise, und in seiner Stimme schwingt keine Wut mit, sondern die Kälte einer späten Erkenntnis. „Manche von ihnen haben mich benutzt, verraten, ausgelacht.“ Der Sänger, der Generationen mit Liedern über Liebe und Zusammenhalt Hoffnung gab, zieht eine Bilanz, die erschüttert. Er nennt fünf Namen. Fünf Stars, die für ihn zu Symbolen wurden – für Verrat, Hochmut und den Verlust von Authentizität.

Helene Fischer: Die kalte Perfektion

Der erste Name auf seiner Liste ist der wohl größte im aktuellen deutschen Showgeschäft: Helene Fischer. Für Millionen ist sie die Königin des Schlagers, eine Ikone aus Licht und makelloser Professionalität. Doch für Frank Schöbel markiert sie den Punkt, an dem die Musik ihre Seele verlor. „Sie ist wunderschön, talentiert, erfolgreich“, räumt er ein. „Aber in ihren Liedern höre ich kein Herz.“

Schöbel beschreibt sie als „Diamant – wunderschön, aber kalt“. Es ist keine Eifersucht, die aus ihm spricht, sondern die Enttäuschung eines Mannes, für den Musik immer auch Bruch, Risiko und rohes Gefühl bedeutete. Er erinnert sich an Begegnungen Backstage, an ihr professionelles Lächeln, das ihn frösteln ließ. „In ihrer Welt gibt es kein Risiko. Alles ist durchdacht, alles ist sicher. Aber Musik war früher ein Sprung ins Unbekannte.“ Für Schöbel ist Helene Fischer das Gesicht einer Industrie, die Authentizität gegen Perfektion getauscht hat. „Wenn Perfektion das Einzige ist, was bleibt, dann stirbt irgendwann das Gefühl“, prophezeit er düster.

Roland Kaiser: Der stille Verrat

Noch schmerzhafter wird es, wenn Schöbel über Roland Kaiser spricht. Einst galten sie als Freunde, zwei Seiten derselben Medaille – der Star des Ostens und der Star des Westens. Nach der Wiedervereinigung hoffte Schöbel auf eine musikalische Brücke, auf Brüderlichkeit. Doch was folgte, war Schweigen. Während Kaiser im wiedervereinigten Deutschland zum gefeierten „Grandseigneur“ aufstieg und große Arenen füllte, wurde Schöbel, wie viele DDR-Künstler, ins Abseits gedrängt.

„Er hätte mich erwähnen können. Ein Satz, das hätte gereicht. Aber er tat es nie“, resümiert Schöbel. Es war kein offener Streit, der sie entzweite, sondern die lautlose Gleichgültigkeit. Eine zufällige Begegnung bei einer Preisverleihung in Leipzig brannte sich tief in Schöbels Gedächtnis ein: Ein flüchtiger Blick, ein höfliches Nicken von Kaiser – mehr nicht. „Ich wusste in dem Moment: Er hat mich vergessen. Nicht aus Bosheit, sondern weil es einfacher war.“ Für Schöbel ist Kaiser das Symbol dafür, wie Erfolg taub macht für alte Weggefährten.

Katja Ebstein: Der Spiegel der eigenen Angst

Eine ganz andere Art der Auseinandersetzung verbindet ihn mit Katja Ebstein. Sie ist keine Feindin, sondern ein Spiegel, in den Schöbel nur ungern blickt. Er bewunderte sie schon in den 70ern für ihren Intellekt, ihren politischen Mut und ihre Unabhängigkeit – Eigenschaften, die er sich selbst oft versagte. „Sie hatte dieses Feuer, das ich nie haben durfte“, gesteht er.

Ein Satz von ihr hallt bis heute nach: „Du bist zu brav, Frank. Du singst, um zu gefallen. Ich singe, um zu leben.“ Diese Worte trafen ihn ins Mark, weil sie wahr waren. Ebstein zeigte ihm, dass man berühmt und dennoch echt sein kann, dass man Ecken und Kanten haben darf. Sie vor Augen zu haben, erinnert ihn schmerzlich an seinen eigenen Konformismus, an seine Angst, Fehler zu machen. „Ich habe es nie geschafft, so frei zu sein wie sie.“

Chris Doerk: Die Wunde, die nie heilt

Am emotionalsten wird Frank Schöbel, wenn er über Chris Doerk spricht. Sie waren das Traumpaar der DDR, jung, schön und scheinbar unzertrennlich. Doch hinter der Fassade des öffentlichen Glücks zerbrach ihre Liebe unter dem Druck der ständigen Beobachtung. „Wir gehörten der Bühne, nicht uns selbst“, sagt er heute.

Schöbel gibt unumwunden zu, dass sein eigener Ehrgeiz und seine Eifersucht eine Rolle spielten. Er wollte funktionieren, sie wollte leben. Er hatte Angst, sie könnte ihn überstrahlen. Die Trennung war leise, aber das Band riss nie ganz. „Man kann keine Vergangenheit neu aufnehmen, das Band ist zu alt“, sagt er über die Rufe nach einem Comeback. Chris Doerk bleibt für ihn die „Wunde, die nie verheilt“, eine Erinnerung an die schönste und zugleich schmerzhafteste Zeit seines Lebens. „Wir haben uns verloren, aber vielleicht war das nötig.“

Frank Schöbel (79): „Ich will nicht auf der Bühne sterben!“ Der  Schlagerstar denkt an Karriere-Ende

Thomas Anders: Arroganz und leerer Glanz

Den Abschluss bildet Thomas Anders, die Stimme von Modern Talking. Für Schöbel verkörpert er all das, was im Musikgeschäft falsch läuft: Eitelkeit, Arroganz und Oberflächlichkeit. Eine Begegnung nach der Wende öffnete Schöbel die Augen. Er wollte dem West-Star gratulieren, doch Anders behandelte ihn kühl, fast herablassend. „Ich sah in seinem Blick, dass er mich nicht als Kollegen sah, sondern als Teil einer Vergangenheit, die für ihn keine Bedeutung hatte.“

Schöbel kritisiert nicht Anders’ Talent, sondern seine Haltung. „Er singt gut, aber ich glaube ihm kein Wort.“ Anders steht für ihn für eine Generation, die ihr Herz gegen Klickzahlen und schnellen Ruhm getauscht hat. „Er hat sich verkauft, ich habe mich verloren“, lautet Schöbels bitteres Fazit.

Ein einsamer Frieden

Heute, am Ende dieses langen Weges, wirkt Frank Schöbel nicht verbittert, sondern unendlich müde und klar. Er sitzt in seinem Leipziger Zuhause, umgeben von goldenen Schallplatten, die in der Sonne glänzen, aber nicht wärmen. Seine Beichte ist kein Rachefeldzug. Sie ist der Versuch eines Mannes, der sein Leben lang gefallen wollte, endlich einmal nur die Wahrheit zu sagen.

„Für die Bühne war ich geboren, aber das Schweigen danach war die wahre Prüfung“, flüstert er. Wenn er heute aus dem Fenster schaut, sieht er eine Welt, die sich weitergedreht hat, zu einer Musik, die er nicht mehr versteht. Doch in diesem Moment, in dem er offenbart, was ihn jahrzehntelang quälte, wirkt er freier als je zuvor. Frank Schöbel mag einsam sein, aber er ist endlich bei sich selbst angekommen. Und vielleicht ist das der wichtigste Applaus seines Lebens.

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