Wenn das Lächeln gefriert: Die späte Abrechnung des Andy Borg

Er war das Gesicht des „Musikantenstadl“, der charmante Wiener, der mit seinem Schmäh und seiner warmen Stimme Millionen Herzen eroberte. Andy Borg stand für heile Welt, für Schunkeln, Lachen und Gemeinschaft. Doch hinter der Fassade des ewigen Optimisten verbarg sich jahrelang ein Schmerz, den niemand ahnte. Jetzt, mit 64 Jahren, bricht Andy Borg sein Schweigen. Er nennt Ross und Reiter, er nennt fünf Namen, die sein Bild vom Showgeschäft für immer verdüstert haben. Es ist eine Abrechnung mit einer Welt, die nach außen glänzt und innen oft verrottet ist.

„Ich war nie der Typ für Skandale“, sagt er leise. „Aber irgendwann kommt der Moment, an dem man nicht mehr lächeln will, nur damit alle denken, es sei alles in Ordnung.“ Andy Borg öffnet die Akten seines Lebens und erzählt von Kollegen, die ihn belächelten, benutzten und hintergingen.

Chris Andrews: Der gefallene Held

Den Anfang macht eine internationale Legende: Chris Andrews. Der „Yesterday Man“ war einst ein Idol für den jungen Andy Borg. Doch als sie in den 90ern gemeinsam auf Tour gingen, bröckelte das Denkmal. Andrews kam zu spät, beschwerte sich über alles – Licht, Ton, Temperatur – und behandelte seine Kollegen wie Statisten.

Der Tiefpunkt war eine Jubiläumssendung im ZDF. Andrews forderte spontan einen extra Song, der nicht im Plan stand. Als die Leitung ablehnte, soll er gewütet haben: „Niemand erinnert sich an Moderatoren, nur an Stars.“ Borg stand daneben, lächelte professionell, doch innerlich fror er. Andrews bekam seinen Song, doch der Applaus war matt. Das Publikum spürte die Arroganz. Für Borg war dies der Beweis: Ruhm ohne Menschlichkeit macht einsam. Als sie sich Jahre später trafen, nickte Andrews nur kühl. „Da wusste ich, dass man Menschen verlieren kann, auch wenn sie direkt an einem vorbeigehen“, resümiert Borg.

G.G. Anderson: Der Mann ohne Lächeln

G.G. Anderson und Andy Borg – zwei Urgesteine des Schlagers, eigentlich prädestiniert für eine Männerfreundschaft. Doch Anderson, so erzählt Borg, brachte immer schlechte Laune mit. „Egal wo wir waren, schon beim Soundcheck ging es los.“ Wenn Borg mehr Applaus bekam, stand Anderson mit verschränkten Armen hinter dem Vorhang, ohne eine Miene zu verziehen.

Ein zufällig gehörter Satz brannte sich tief ein: „Ich verstehe nicht, warum die Leute immer noch über den lachen“, soll Anderson über Borg gesagt haben. Ein Satz wie ein Dolchstoß unter Kollegen. Nach außen hin wahrten sie die Form, doch hinter der Bühne herrschte eisiges Schweigen. Für Borg ist Anderson das Symbol für jemanden, der verlernt hat, warum er Musik macht: nicht für den eigenen Ego-Trip, sondern um Menschen Freude zu schenken.

Bernhard Brink: Der dominante „große Bruder“

Bernhard Brink und Andy Borg galten als Dreamteam. Doch Borg entlarvt diese Freundschaft nun als Farce. Brink sei wie ein „großer Bruder“ gewesen – aber einer, der einen klein hält. Er wollte immer die Kontrolle, bestimmte Reihenfolgen bei Auftritten, wollte immer als Letzter singen, um am längsten im Gedächtnis zu bleiben.

Bei einem TV-Special 2025 überzog Brink eine geplante 2-Minuten-Rede auf 20 Minuten. Niemand wagte ihn zu unterbrechen. Borg stand daneben, zur Staffage degradiert. „Für ihn war die Bühne kein Ort der Musik, sondern ein Ort der Macht“, sagt Borg bitter. Als Brink dann noch hinter den Kulissen lästerte, Borg singe „immer dieselben Lieder“, war das Maß voll. Seitdem gehen sie getrennte Wege. Borg wünscht ihm nichts Böses, nur die Einsicht, dass „Größe nichts mit Lautstärke zu tun hat“.

Ramon Roselly: Respektlosigkeit als Humor getarnt

Mit Ramon Roselly prallten Welten aufeinander. Der junge DSDS-Gewinner und der routinierte Stadl-Star. Anfangs mochte Borg den frischen Wind. Doch dann der Eklat in einer Live-Show: Roselly griff zum Mikro und witzelte: „Andy ist das Symbol des Schlagers aus dem letzten Jahrhundert.“

Andy Borg - Es war einmal - (Immer wieder sonntags, 08.09.2024)

Das Publikum lachte, Borg erstarrte. „In diesem Moment war ich nicht mehr Kollege, ich war Pointe.“ Als er Roselly später zur Rede stellte, wiegelte der nur ab: „Man muss auch mal über sich selbst lachen können.“ Für Borg zeigte das nur eines: Roselly fehlt das Gespür für Grenzen. Er steht für eine Generation, die glaubt, im Fernsehen sei alles erlaubt, solange die Quote stimmt. „Erfolg kann man kaufen, Anstand nicht“, so Borgs trockenes Fazit.

Semino Rossi: Die perfekte Inszenierung

Der schmerzhafteste Name auf der Liste ist Semino Rossi. Der Argentinier mit der Samtstimme und Borg wirkten wie Seelenverwandte. Doch Borg nennt es heute eine „Inszenierung“. Rossi sei charmant, solange es ihm nützt.

Borg schildert einen Moment, der alles veränderte: Ein Duett, große Gefühle, Händchenhalten auf der Bühne. Doch kaum war die Kamera aus, ließ Rossi Borgs Hand fallen, drehte sich weg und ignorierte ihn komplett. „Als wäre ich Luft.“ Später hörte Borg von Intrigen, Rossi habe gebeten, Borg nicht zu viele Solopassagen zu geben. „Semino versteht das Spiel perfekt. Er verkauft Emotionen, ohne sie zu fühlen“, sagt Borg traurig. Das ist der tiefste Verrat: Wenn Freundschaft nur gespielt wird, um Platten zu verkaufen.

Ein Mann steht auf

Andy Borgs Beichte ist keine Rache. Es ist der Befreiungsschlag eines Mannes, der jahrzehntelang funktioniert hat. Er zeigt uns, dass der glitzernde Schlagerzirkus oft eine Arena der Eitelkeiten ist. „Vielleicht muss man erst alles verlieren, um wieder echt zu werden“, sagt er am Ende. Andy Borg hat vielleicht die Illusion von Freundschaft verloren, aber er hat seine Würde zurückgewonnen. Und das ist mehr wert als jeder Applaus in einem falschen Spiel.

Andrews, Chris ( geb. am 15.10.1942 )