Es gibt Kriminalfälle, die ein ganzes Land den Atem anhalten lassen, nicht nur wegen der Grausamkeit der Tat, sondern wegen der Wendungen, die das Leben manchmal schreibt – Wendungen, die kein Drehbuchautor glaubwürdiger erfinden könnte. Der tragische Tod des achtjährigen Fabian aus Güstrow ist ein solcher Fall. Was als verzweifelte Suche nach einem vermissten Kind begann, hat sich zu einem juristischen und psychologischen Drama entwickelt, das nun in einer schockierenden Festnahme gipfelte. Im Zentrum des Sturms: Gina H., 29 Jahre alt, Ex-Lebensgefährtin des Vaters und jene Frau, die der Polizei einst den Weg zur Leiche wies.

Der Paukenschlag: Wenn die Finderin zur Gejagten wird

Erinnern wir uns zurück: Am 10. Oktober verschwand der kleine Fabian spurlos. Tagelang bangte eine ganze Region, Suchtrupps durchkämmten Wälder und Wiesen. Am 14. Oktober dann die traurige Gewissheit – Fabian ist tot. Gefunden wurde er in einem Waldstück bei Klein Upahl, nahe einem Tümpel. Die Finderin war keine Unbekannte, sondern Gina H., eine Frau aus dem engsten Umfeld der Familie. Damals wurde sie als traumatisierte Zeugin vernommen, als diejenige, die den schrecklichen Fund machen musste.

Doch am 6. November, fast einen Monat nach dem Verschwinden, klickten die Handschellen. Aus der Zeugin wurde die Hauptverdächtige. Der Vorwurf der Staatsanwaltschaft wiegt schwer: dringender Tatverdacht des Mordes. Eine Entwicklung, die selbst erfahrene Kriminalisten immer wieder erschüttert, auch wenn das Phänomen, dass Täter sich als Finder inszenieren, in der Kriminalgeschichte nicht neu ist. Aber ist das hier wirklich der Fall?

Die Tränen in der Zelle: Ein Anwalt bricht das Schweigen

Andreas Ohm, ein erfahrener Strafverteidiger, wurde Gina H. als Pflichtverteidiger zur Seite gestellt. Er ist nun der Mann, der ihre Stimme in diesem lauten Sturm vertritt. In seinen ersten öffentlichen Äußerungen zeichnet er das Bild einer Frau, die vom Zugriff der Behörden vollkommen überrollt wurde. Gegenüber Medien beschrieb er seine Mandantin als “sehr mitgenommen” und “völlig überrascht”. Sie habe gezittert, geweint und absolut nicht damit gerechnet, ins Visier der Ermittler zu geraten.

Diese Reaktion – echte Verzweiflung oder das Kalkül einer Täterin, die ihre Rolle weiterspielt? Für die Verteidigung ist klar: Die Überraschung spricht für ihre Unschuld. Jemand, der eine solche Tat plant und vertuscht, rechnet meist mit dem Zugriff. Doch psychologisch betrachtet ist auch das Gegenteil denkbar: Täter, die sich durch ihre “Hilfe” bei der Suche sicher fühlen, fallen oft aus allen Wolken, wenn die Fassade bröckelt.

Indizien statt Beweise? Die Strategie der Verteidigung

Der juristische Kern des Dramas liegt nun in der Beweisführung. Anwalt Ohm betont einen entscheidenden Punkt: “Aus meiner Sicht handelt es sich hierbei größtenteils um Indizien.” Es gibt offenbar kein Geständnis, keinen direkten Augenzeugen der Tat. Stattdessen baut die Staatsanwaltschaft auf eine Indizienkette.

Das ist im Strafrecht nicht ungewöhnlich, aber riskant. Gina H. hatte als Finderin natürlich eine Verbindung zum Fundort. Sie kannte das Kind, sie kannte die Umgebung. All das sind Puzzleteile, die sie verdächtig machen können, aber nicht zwingend eine Täterschaft beweisen. Widersprüche in Aussagen, ein fehlendes Alibi oder auffälliges Verhalten nach der Tat – all das wird nun auf die Goldwaage gelegt. Doch ein Motiv allein, etwa die erst im August erfolgte Trennung von Fabians Vater, macht noch keine Mörderin. Ohm hat Akteninsicht beantragt und wird nun versuchen, jedes Glied dieser Kette aufzubrechen. Gina H. selbst schweigt auf sein Anraten – ihr gutes Recht, das ihr vor Gericht nicht zum Nachteil ausgelegt werden darf.

Die unsichtbaren Opfer: Eine Mutter in U-Haft

Hinter den nüchternen Fakten der Ermittlungsakte verbirgt sich eine weitere, herzzerreißende Tragödie. Gina H. ist selbst Mutter eines siebenjährigen Sohnes. Mit ihrer Verhaftung verlor dieser Junge von einer Sekunde auf die andere seine wichtigste Bezugsperson. Das Jugendamt nahm das Kind direkt nach dem Zugriff in Obhut, er wurde vorläufig bei einer Pflegefamilie untergebracht.

Man mag sich kaum vorstellen, was in einem Siebenjährigen vorgeht, dessen Mutter plötzlich als “böse” dargestellt und weggebracht wird. Auch die Großeltern, bei denen Gina mit ihrem Sohn lebte, stehen unter Schock. Sie verlieren nicht nur die Tochter an das Gefängnis, sondern müssen sich auch mit dem entsetzlichen Verdacht auseinandersetzen, der nun auf ihrer Familie lastet. Soziale Ächtung, Tuschelei, verurteilende Blicke – für die Angehörigen beginnt oft ein Spießrutenlauf, ganz gleich, wie das Verfahren am Ende ausgeht.

Fazit: Ein Fall voller offener Fragen

Der Fall Fabian ist weit mehr als nur eine juristische Auseinandersetzung. Er ist ein Lehrstück darüber, wie schnell sich Rollen verkehren können und wie schmal der Grat zwischen Trauer und Verdacht ist. Die Ermittler stehen unter enormem Druck, die Indizienkette so fest zu schmieden, dass sie vor Gericht hält. Verteidiger Ohm wird alles tun, um Zweifel zu säen.

Bis zu einem Urteil gilt für Gina H. die Unschuldsvermutung – ein Prinzip, das in der emotionalen Wucht dieses Falles oft vergessen wird. Doch eines ist sicher: Egal, was die Wahrheit ist, die am Ende ans Licht kommt – es gibt in diesem Drama nur Verlierer. Einen kleinen Jungen, der viel zu früh sterben musste, eine Familie, die zerbrochen ist, und ein weiteres Kind, das nun ohne Mutter aufwachsen muss. Wir werden weiter genau hinsehen, wenn sich die Türen des Gerichtssaals öffnen.