Es sind Momente der Stille, die oft lauter hallen als jedes Rockkonzert. Peter Maffay, die unverwüstliche Ikone der deutschen Musikszene, ist es gewohnt, vor Tausenden zu stehen. Mit 76 Jahren blickt er auf ein Lebenswerk zurück, das seinesgleichen sucht: 16 Nummer-1-Alben, ausverkaufte Stadien, ein Leben auf der Überholspur. Doch in diesen Tagen ist es nicht der Applaus, der ihn beschäftigt. Es ist die zarte Stimme seiner siebenjährigen Tochter Anouk, die ihn innehalten lässt – und eine einzige Frage, die den harten Rocker bis ins Mark erschütterte und ihm den Schlaf raubte.

Der Moment, der alles veränderte

„So ein kleiner Mensch hält einen richtig auf Trab“, sagt Maffay mit einem liebevollen Lächeln, wenn er über Anouk spricht. Sie ist der Motor seines späten Lebensglücks, seine Energiequelle. Doch die Unbeschwertheit der Kindheit ist in diesen turbulenten Zeiten fragil. In einem bemerkenswert offenen Interview offenbarte Maffay kürzlich, wie sehr die Weltlage auch in das Kinderzimmer seiner Jüngsten vordringt. „Kommt der Krieg jetzt auch zu uns, Papa?“, fragte sie ihn.

Diese sieben Worte lösten bei dem Musiker etwas aus, das tiefer ging als bloße elterliche Sorge. Es war ein Echo aus der Vergangenheit. Eine dunkle Erinnerung an eine Zeit, in der Sicherheit ein Fremdwort und Angst ein ständiger Begleiter war. Für Maffay, der selbst als Kind Flucht und Entwurzelung erlebte, schloss sich in diesem Moment ein schmerzhafter Kreis. Die kindliche Angst seiner Tochter spiegelte plötzlich seine eigene Geschichte wider – die Geschichte eines kleinen Jungen aus Rumänien, der alles zurücklassen musste.

„Von nichts gab es viel“: Eine Kindheit in der Diktatur

Um die Tiefe von Maffays Emotionen zu verstehen, muss man in die 1960er Jahre zurückblicken. Lange bevor er zum gefeierten Star in Deutschland wurde, war er ein Junge in Brașov (Kronstadt), Rumänien. Es war eine Zeit der Entbehrung, geprägt von der kommunistischen Diktatur. „Wir hatten damals nichts“, erinnert sich Maffay heute zurück. Und fügt mit einer fast poetischen Melancholie hinzu: „Oder wie ich gern sage: Von nichts gab es viel.“

Es war nicht nur die materielle Armut, die diese Jahre prägte. Es war die Atmosphäre der Unfreiheit. Doch Maffay betont immer wieder, was ihn gerettet hat: die unerschütterliche Liebe seiner Eltern. Trotz der äußeren Bedrohung, trotz der politischen Repressionen, schafften sie es, ihm im Inneren ein Gefühl von Sicherheit zu geben. Ein „Schutzraum“ im familiären Kreis, der ihn stark machte für das, was kommen sollte.

Die dramatische Ausreise seiner Familie im Jahr 1963 war ein Sprung ins kalte Wasser. Vom grauen, reglementierten Alltag in Rumänien hinein in ein buntes, lautes und freies Deutschland. Für den jungen Teenager Peter war dies der Beginn eines neuen Lebens, aber auch eine Zeit der Unsicherheit. Diese Erfahrungen haben sich tief in seine DNA eingebrannt. Sie sind der Grund, warum er heute nicht nur als Musiker, sondern vor allem als Mahner und Helfer auftritt.

Sicherheit ist mehr als Geld

Wenn Peter Maffay heute über Reichtum spricht, meint er nicht die Millionen auf dem Bankkonto oder die goldenen Schallplatten an der Wand. Seine Definition von Luxus ist durch seine Vergangenheit geprägt: „Selbstbestimmtheit und die Gewissheit, dass ein Kind nachts satt schlafen kann.“

Diese Haltung ist keine leere Phrase, sondern der Treibstoff für sein massives soziales Engagement. Mit der Peter Maffay Stiftung hat er sich zur Lebensaufgabe gemacht, genau das zurückzugeben, was er als Kind durch seine Eltern erfahren durfte: Schutz. Seine Stiftung kümmert sich um traumatisierte Kinder, die nicht das Glück hatten, behütet aufzuwachsen. Auf Gut Dietlhofen und in anderen Einrichtungen schafft er Oasen, in denen Kinder wieder Kinder sein dürfen – fernab von Gewalt, Missbrauch oder Vernachlässigung.

„Die Existenz eigener Kinder verdeutlicht einem erheblich die Unterschiede zwischen behütetem Aufwachsen und dem Gegenteil davon“, erklärte Maffay kürzlich bei einem Charity-Event. Der Blick in die Augen seiner Tochter Anouk erinnert ihn täglich daran, wie ungerecht das Schicksal verteilt sein kann.

Ein Appell an die Menschlichkeit

Der 76-Jährige belässt es jedoch nicht bei stiller Wohltätigkeit. Maffay ist politisch, er ist laut, wenn es sein muss. Die Frage seiner Tochter nach dem Krieg hat ihn nicht nur privat bewegt, sondern auch seinen Blick auf die aktuellen politischen Entscheidungen geschärft. Er kritisiert die gigantischen Summen, die weltweit in Rüstung und Militär fließen, während gleichzeitig Kinder in Armut leben. „Verteidigung, ja, aber nicht Eskalation“, fordert er. Es ist die Weisheit eines Mannes, der weiß, dass Waffen keinen Frieden in die Seelen der Menschen bringen.

Für Maffay ist klar: Wir müssen mehr in die Zukunft investieren – und die Zukunft sind die Kinder. Wenn er sieht, wie viele Milliarden für Zerstörungspotenzial ausgegeben werden, während in Deutschland Kinder ohne Frühstück zur Schule gehen, macht ihn das wütend. Es ist eine Wut, die aus Liebe entsteht. Liebe zu seiner Tochter und zu all den Kindern, die keine starke Stimme haben.

Der Kreis schließt sich

Vom Flüchtlingsjungen zum Superstar, vom wilden Rocker zum fürsorglichen Vater einer Siebenjährigen: Peter Maffays Leben ist eine abenteuerliche Reise. Doch im Kern ist er sich treu geblieben. Die Frage seiner Tochter hat ihm schlaflose Nächte bereitet, aber sie hat auch seinen Fokus neu justiert.

Er möchte Anouk und ihrer Generation eine Welt hinterlassen, in der die Frage „Kommt der Krieg zu uns?“ nicht mehr gestellt werden muss. Er kämpft dafür, dass Kinder keine Angst haben müssen – weder vor Bomben noch vor einem leeren Magen.

„Es ist eine Berührung der Seele“, sagt er über seine Erinnerungen. Und vielleicht ist genau das die wichtigste Botschaft, die Peter Maffay uns heute geben kann: Dass wir unsere Herkunft nie vergessen dürfen, dass Angst ein schlechter Ratgeber ist, aber Liebe und Sicherheit die stärksten Waffen sind, die wir haben.

Wenn Anouk heute ihren Papa ansieht, sieht sie vielleicht nur den liebevollen Vater. Wir aber sehen einen Mann, der seine traumatische Vergangenheit in eine Kraft verwandelt hat, die Tausenden Hoffnung schenkt. Und solange Peter Maffay eine Stimme hat, wird er sie für diejenigen erheben, die sie am dringendsten brauchen. Damit irgendwann alle Kinder so sicher schlafen können, wie er es sich für seine Tochter wünscht.