Der Kampf um die Samstagabend-Krone ist entschieden – und er endete blutiger, als viele erwartet hätten. Während Florian Silbereisen im Lichterglanz badete, ging Stefan Raab im Quotenkeller baden. Doch trotz des Triumphs blieb auch beim Schlager-König nicht alles heilig.
Es war das Duell der Giganten, auf das die deutsche Fernsehlandschaft gewartet hatte: Auf der einen Seite die unverwüstliche Schlager-Tradition mit Florian Silbereisen und seinem „Adventsfest der 100.000 Lichter“ in der ARD. Auf der anderen Seite der einstige „Raabinator“, Stefan Raab, der auf RTL mit „Stefan und Bully gegen irgendson Schnulli“ sein großes Comeback retten wollte. Am Sonntagmorgen dann die Gewissheit: David hat Goliath nicht nur besiegt, er hat ihn zertreten. Doch der Reihe nach.

Der strahlende Sieger und das „Cringe“-Fest
Florian Silbereisen darf sich freuen – und wie! Mit satten 4,52 Millionen Zuschauern sicherte er sich den Tagessieg beim Gesamtpublikum. Ein Marktanteil von 13,5 Prozent selbst bei den sonst so kritischen 14- bis 49-Jährigen beweist: Kitsch zieht immer noch. Die ARD hat wohl alles richtig gemacht, denn MDR-Intendant Ralf Ludwig verkündete noch während der Show die Verlängerung des Formats bis mindestens 2026.
Doch wer glaubt, die dreistündige Show sei ein einziges harmonisches Besinnlichkeits-Fest gewesen, der hat wohl nicht auf Twitter (jetzt X) mitgelesen. Während im Studio das „Friedenslicht aus Bethlehem“ einzog, hagelte es im Netz Spott und Häme. „Jedes Jahr derselbe Cringe“, lästerten User über die immer gleichen Gäste und die perfekt inszenierte Heile-Welt-Stimmung.
Und dann war da noch dieser eine Moment, bei dem wohl so manchem Zuschauer der Glühwein im Halse stecken blieb. Im Gespräch mit Volksmusik-Liebling Stefanie Hertel leistete sich Silbereisen einen verbalen Ausrutscher der Extraklasse. Er fragte sie allen Ernstes nach ihrem „Zipfelpass“. Ein Raunen ging durch die Menge, und Hertel wirkte sichtlich irritiert, bevor sie die Situation rettete: Es ging natürlich um den „Zipfelpass“ für Reisende, die die vier äußersten Eckpunkte Deutschlands besucht haben. Ein Schelm, wer Böses dabei dachte – doch im Internet war das Gelächter groß. „Woran denkst du bitte, wenn du an Zipfel denkst?“, konterte Hertel schlagfertig. Ein klassischer Silbereisen-Moment: Gut gemeint, aber mit Anlauf ins Fettnäpfchen.
Stars, Storys und ein Polizeieinsatz
Abseits der Fettnäpfchen lieferte die Show das gewohnte Star-Aufgebot. Andrea Berg, Wincent Weiss, die No Angels und Thomas Anders gaben sich die Klinke in die Hand. Für den emotionalen Höhepunkt sollte eigentlich Simone Thomalla sorgen, die nicht nur eine Weihnachtsgeschichte las, sondern auch gesanglich mit dem Klassiker „Mary’s Boy Child“ überraschte.
Für den Lacher des Abends sorgte jedoch Semino Rossi. Der argentinische Schmusesänger beichtete eine Anekdote, die man ihm so gar nicht zugetraut hätte. Bei seinem ersten Weihnachtsfest in Österreich tanzte er um 23 Uhr so ausgelassen wie in seiner Heimat – bis die Polizei vor der Tür stand. „Können Sie die Musik leiser machen?“, fragten die Beamten den verdutzten Star. Rossi entschuldigte sich brav: „Ich habe es ehrlich nicht gewusst.“ Eine herrlich menschliche Geschichte in einer sonst durchgestylten Show.

Raabs bitteres Desaster
Während bei Silbereisen die Kerzen brannten, brannte bei RTL die Hütte – aber im negativen Sinne. Für Stefan Raab wird die Luft immer dünner. Die vierte Ausgabe seiner Show „Stefan und Bully gegen irgendson Schnulli“ verzeichnete katastrophale Werte. Nur noch 830.000 Zuschauer wollten den einstigen TV-Giganten sehen. In der werberelevanten Zielgruppe stürzte der Marktanteil auf einstellige 8,2 Prozent ab. Zum Vergleich: Die Premiere vor einem Jahr war noch ein Straßenfeger.
Woran lag’s? Vielleicht daran, dass das Konzept sich abnutzt. Vielleicht aber auch an Raab selbst. Der Entertainer wirkte angeschlagen, hustete sich durch die Sendung und wirkte stellenweise fahrig. „Kann dem mal jemand ein Bonbon geben?“, flehten genervte Zuschauer in den sozialen Medien, während Raabs Hustenattacken fast lauter waren als der Applaus. Es ist ein trauriges Bild: Der Mann, der einst alles zu Gold machte, was er anfasste, kämpft nun gegen die Bedeutungslosigkeit an. RTL dürfte angesichts dieser Zahlen und der immensen Kosten für den Raab-Deal langsam nervös werden.

Fazit: Tradition schlägt Experiment
Der Abend hat gezeigt: In unsicheren Zeiten sehnt sich das deutsche Publikum nach Beständigkeit – selbst wenn diese manchmal etwas kitschig und „cringe“ daherkommt. Florian Silbereisen bietet genau diese verlässliche Wärme, eine heile Welt für drei Stunden, in der das größte Problem ein missverständlicher Witz über einen „Zipfelpass“ ist.
Stefan Raab hingegen muss sich dringend neu erfinden. Der Nostalgie-Bonus ist aufgebraucht, und die Zuschauer scheinen der ewigen Spielchen müde zu sein. Wenn sich nicht bald etwas ändert, könnte es für den einstigen „König Lustig“ ein sehr einsames Weihnachtsfest werden – zumindest quotentechnisch.
Silbereisen hat triumphiert, Raab hat verloren. Und wir? Wir haben gelernt, dass man an Weihnachten besser nicht zu laut tanzt, wenn man Semino Rossi heißt, und dass ein „Zipfelpass“ im deutschen Fernsehen immer für einen Lacher gut ist. Frohen Advent!
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