Es gibt Momente im deutschen Fernsehen, die selten geworden sind. Momente, in denen der geölte Mechanismus der Einheitsmeinung ins Stocken gerät, in denen das bequeme Schwarz-Weiß-Denken plötzlich Risse bekommt und die Zuschauer zu Hause vor den Bildschirmen spüren: Hier wird gerade Tacheles geredet. Einen solchen denkwürdigen Augenblick lieferte die ehemalige Moskau-Korrespondentin und Bestsellerautorin Gabriele Krone-Schmalz in einer hitzigen Talkrunde, die noch lange für Gesprächsstoff sorgen wird.
In einer Zeit, in der Nuancen oft als Verrat gelten und der Ruf nach immer härteren Maßnahmen gegen Russland zum guten Ton gehört, wagte Krone-Schmalz das Unaussprechliche: Sie forderte Beweise statt Vorverurteilungen, Kontext statt Parolen und Diplomatie statt Eskalation. Was folgte, war eine argumentative Lehrstunde, die ihre Kritiker im Studio zeitweise sprachlos zurückließ und Millionen Zuschauern aus der Seele sprach.

Das Vertrauens-Paradoxon: Warum die Bürger den Medien misstrauen
Die Diskussion begann dort, wo es den etablierten Medienhäusern am meisten wehtut: beim Vertrauensverlust. Krone-Schmalz legte den Finger direkt in die Wunde der deutschen Öffentlichkeit. Sie konstatierte nüchtern, dass eine Diskrepanz herrsche zwischen der „veröffentlichten Meinung“ und dem, was die Menschen tatsächlich empfinden und denken. „Wenn Medien und Regierung an den Leuten vorbeireden, wundert es nicht, dass viele Putin mehr trauen als diesem Polittheater“, analysierte sie messerscharf.
Es ist eine Bankrotterklärung für den Journalismus, wenn das Publikum das Gefühl hat, dass die eigene Lebensrealität und Wahrnehmung in den Nachrichten nicht mehr vorkommt. Krone-Schmalz machte deutlich, dass dieses Misstrauen nicht vom Himmel fällt. Es ist das Ergebnis einer jahrelangen Entwicklung, in der komplexe geopolitische Zusammenhänge auf einfache Feindbilder reduziert wurden. Wer ständig nur einen Sündenbock präsentiert bekommt, wird irgendwann skeptisch – besonders wenn die Geschichte lehrt, dass die „Guten“ nicht immer die Wahrheit sagen.
Der Fall Salisbury und das Versagen der Diplomatie
Besonders brisant wurde es, als die Sprache auf den Giftanschlag in Salisbury kam. Ein Thema, bei dem die Schuldfrage im Westen fast reflexartig binnen Stunden geklärt schien: Putin war’s. Doch Krone-Schmalz weigerte sich, in diesen Chor einzustimmen. Nicht, weil sie Russland blind verteidigen wollte, sondern weil sie auf Rechtsstaatlichkeit pochte.
Mit der Präzision einer erfahrenen Journalistin zerlegte sie das Vorgehen der britischen Regierung unter Theresa May. Sie erinnerte daran, dass es internationale Organisationen wie die OPCW (Organisation für das Verbot chemischer Waffen) gibt, die genau für solche Fälle zuständig sind. „Es gibt Regeln“, mahnte sie eindringlich. Ein beschuldigter Staat hat das Recht, Proben zu erhalten, Analysen durchzuführen und Stellung zu nehmen. Doch was geschah stattdessen? Ultimaten, öffentliche Anklagen und sofortige Schuldzuweisungen.
„Sich nicht an das Verfahren zu halten, zu dem man sich ja auch mal bekannt hat, ist politisch von großer Tragweite“, warnte Krone-Schmalz. Sie entlarvte die Scheinheiligkeit einer westlichen Wertegemeinschaft, die ihre eigenen Regeln über Bord wirft, sobald es opportun erscheint. Ihr Vergleich mit den angeblichen Massenvernichtungswaffen im Irak, die als Lüge enttarnt wurden, aber einen ganzen Weltteil ins Chaos stürzten, saß tief. „Wir können doch nicht so tun, als hätten wir das nicht schon einmal erlebt“, schien ihr Blick zu sagen. Wer einmal lügt, dem glaubt man nicht – und wer ohne Beweise verurteilt, handelt nicht rechtsstaatlich, sondern propagandistisch.

Die verpassten Chancen: Ein historischer Rückblick
Doch Krone-Schmalz begnügte sich nicht damit, aktuelle Fehler aufzuzeigen. Sie forderte einen Perspektivwechsel, einen Blick zurück, um die Gegenwart zu verstehen. „Wir geben uns einer sehr unhistorischen Betrachtungsweise hin“, kritisierte sie die Runde. Wer Putins Verhalten heute beurteilen will, muss verstehen, was in den letzten 20 Jahren geschehen ist.
Sie erinnerte an die erste Amtszeit Wladimir Putins, an seine Rede im Deutschen Bundestag, an die zahlreichen Angebote zur wirtschaftlichen und sicherheitspolitischen Zusammenarbeit. Angebote, die vom Westen ignoriert, belächelt oder arrogant zurückgewiesen wurden. „Unser Anteil, der westliche Anteil an der jetzigen Situation“, sei ein Tabuthema, das dringend auf den Tisch müsse. Die NATO-Osterweiterung, die Raketenschirme, die Kündigung von Abrüstungsverträgen – all das sind Puzzleteile, die im aktuellen Bild vom „aggressiven Russland“ gerne weggelassen werden.
Krone-Schmalz machte deutlich: Wer Russland nur als Feind behandelt, bekommt am Ende einen Feind. Es ist eine selbsterfüllende Prophezeiung, angetrieben von geostrategischen Interessen, die mit den Sicherheitsbedürfnissen der Menschen in Europa oft wenig zu tun haben.
Journalismus statt Aktivismus
In der hitzigen Debatte musste sich Krone-Schmalz immer wieder gegen Unterbrechungen und moralische Vorwürfe wehren. Doch sie blieb standhaft. „Ich versuche als Journalist meinen Job zu machen“, verteidigte sie sich vehement. Ihr Job sei es nicht, in den allgemeinen Jubel oder die allgemeine Verdammnis einzustimmen, sondern Hintergründe zu erklären und Zusammenhänge aufzuzeigen.
„Perspektivwechsel vorzunehmen, nicht weil ich die Perspektive teile, sondern weil ich fest davon überzeugt bin, dass man andere Perspektiven kennen muss, um richtige politische Entscheidungen zu treffen“, so ihr Credo. Es ist ein Satz, der in jede Journalistenschule gemeißelt werden sollte. Wer den Gegner nicht versteht, wer seine Motive, Ängste und Interessen ignoriert, kann keine vernünftige Politik machen. Er handelt blind. Und in der Weltpolitik führt Blindheit zu Kriegen.

Ein Plädoyer für den Frieden
Am Ende ihres Auftritts stand ein leidenschaftlicher Appell. Krone-Schmalz warnte davor, die Eskalationsspirale immer weiterzudrehen. „Brauchen wir wirklich wieder so eine Situation wie Kuba, um endlich umzudenken?“, fragte sie in den Raum. Die Kubakrise brachte die Welt an den Rand eines Atomkriegs – und wurde nur durch Geheimdiplomatie und das Verständnis für die Sicherheitsinteressen der Gegenseite gelöst.
Heute, so scheint es, ist dieses Verständnis abhandengekommen. Statt Entspannungspolitik herrscht Konfrontationslust. Krone-Schmalz erinnerte daran, was auf dem Spiel steht: „Wer in der Wirtschaft falsche Entscheidungen trifft, das kostet Geld. Wer in der Politik falsche Entscheidungen trifft, da kostet es hin und wieder den Frieden.“
Ihr Auftritt war mehr als nur eine Meinungsäußerung; er war ein Akt des Widerstands gegen den Zeitgeist. Während andere Gäste sich in moralischer Überlegenheit sonnten, mahnte sie zur Vernunft. Sie zeigte auf, dass es nicht „pro-russisch“ ist, für Frieden zu werben, sondern schlichtweg überlebenswichtig. Dass sie dafür in der Sendung angefeindet wurde, beweist nur ihre These: Der Raum für echte Debatten ist eng geworden.
Doch die Reaktionen im Netz und die Zustimmung vieler Zuschauer zeigen, dass Gabriele Krone-Schmalz einen Nerv getroffen hat. Die Menschen sehnen sich nach Stimmen, die nicht nur nachplappern, sondern nachdenken. Stimmen, die den Mut haben, auch unbequeme Wahrheiten auszusprechen. Ihr Auftritt war ein Leuchtturm in einem Meer aus Desinformation und Hysterie – und ein Beweis dafür, dass wahrer Journalismus noch nicht ganz ausgestorben ist.
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