Es ist selten, dass in der Welt der Unterhaltung die Masken so restlos fallen, wie es jetzt geschehen ist. Normalerweise gilt in der Branche das ungeschriebene Gesetz: Vor der Kamera lächeln, hinter der Kamera schweigen. Doch Dieter Hallervorden, das Urgestein des deutschen Kabaretts, der „Nonstop Nonsens“-Erfinder und Charakterdarsteller, scheint mit 90 Jahren keine Lust mehr auf diplomatische Spielchen zu haben. In einem Akt der radikalen Offenheit, den man als Befreiungsschlag oder als späte Rache deuten kann, hat „Didi“ eine Liste veröffentlicht, die wie eine Bombe eingeschlagen ist. Es sind die fünf Namen der Kollegen, die er am meisten verachtet. Und seine Begründungen sind keine bloßen Sticheleien – es sind Hinrichtungen.

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Der „nutzlose Thronräuber“: Otto Waalkes

Ganz oben auf der Liste steht ein Mann, den Deutschland liebt: Otto Waalkes. Doch wo das Publikum einen fröhlichen Ostfriesen sieht, sieht Hallervorden einen „Kulturschädling“. Die Feindschaft zwischen den beiden Giganten scheint tief zu sitzen. Hallervorden wirft Otto vor, das Niveau der deutschen Comedy auf das eines Kindergeburtstags gesenkt zu haben. „Eine lähmende, infantile Endlosschleife“, nennt er Ottos Werk.

Besonders brisant ist eine Anekdote aus der Vergangenheit: Bei einer gemeinsamen Show soll Otto gezielt Sabotage betrieben haben. Anstatt sich an Absprachen zu halten, habe er Hallervordens feinsinnige Sketche mit lautem Klamauk und „dilettantischen Liedern“ torpediert, um Didi altmodisch aussehen zu lassen. Für Hallervorden ist Otto der Inbegriff der kognitiven Faulheit – ein Mann, der das Publikum nicht fordert, sondern mit billigen Grimassen ruhigstellt.

Der „mehrgesichtige Betrüger“: Hape Kerkeling

Noch härter trifft es Hape Kerkeling. Der Mann, der als Horst Schlemmer Kultstatus erreichte, ist für Hallervorden ein „kaltblütiger Hochstapler“. Didis These: Kerkeling schlüpft nur deshalb in so viele Rollen, weil er selbst keine Persönlichkeit besitzt. „Er nutzt die Maskerade, um sich der Realität zu entziehen“, ätzt Hallervorden.

Doch es bleibt nicht bei künstlerischer Kritik. Hallervorden erhebt schwere Vorwürfe geschäftlicher Natur. Kerkeling soll einst im Hintergrund intrigiert haben, um ein geplantes Filmprojekt von Hallervorden zu verhindern, nur um kurz darauf das Konzept und das Team selbst zu übernehmen. Ein „eisiger Akt der Machtübernahme“, den Hallervorden ihm bis heute nicht verziehen hat. Kerkeling sei kein Künstler, so das vernichtende Urteil, sondern ein Mann, der ohne Perücke und falschen Akzent ein Nichts sei.

Der Sturkopf: Zum 90. Geburtstag von Dieter Hallervorden — Rolling Stone

Die „akustische Aggression“: Michael Mittermeier

Auch die jüngere Generation (relativ gesehen) bekommt ihr Fett weg. Michael Mittermeier, der Wegbereiter der modernen Stand-up-Comedy in Deutschland, ist für den Altmeister nur Lärm. „Hirnlose Brüllerei“ und „akustische Aggression“ wirft er dem Bayern vor. Mittermeier stehe für den Niedergang der feinen Satire hin zur Amerikanisierung, wo Lautstärke Talent ersetzt.

Der persönliche Bruch geschah wohl bei einer Benefizveranstaltung. Laut Hallervorden habe Mittermeier dort rücksichtslos seine Redezeit überzogen, um sich selbst zu feiern, was dazu führte, dass Hallervorden seinen eigenen, tiefgründigen Beitrag unwürdig kürzen musste. Für Didi ein Zeichen von Respektlosigkeit und Eitelkeit: „Für ihn ist Applaus ein Pegelstand, kein Zeichen von Anerkennung.“

Der „intellektuelle Heuchler“: Dieter Nuhr

Mit Dieter Nuhr geht Hallervorden ins Gericht, weil er dessen intellektuellen Anspruch für bloße Fassade hält. Nuhr sei ein „Scheinweiser“, der banale Witze mit aufgeblasenen Worthülsen garniert, um klug zu wirken. „Wer mich nicht versteht, ist dumm“, sei Nuhrs Attitüde, was Hallervorden als Arroganz gegenüber dem Publikum verurteilt.

Doch auch hier gibt es eine Backstage-Story: Hallervorden behauptet, Nuhr habe seine Macht beim Sender missbraucht, um sich die besten Sendeplätze in der Primetime zu sichern und Hallervordens kritischere Formate in das Nachtprogramm zu verdrängen. Eine „Zensur durch Sendeplatzverschiebung“, gesteuert von einem Mann, den Hallervorden als „hohlköpfigen Wichtigtuer“ bezeichnet.

Der „faule Nachahmer“: Bastian Pastewka

Der wohl schmerzhafteste Punkt auf der Liste betrifft Bastian Pastewka. Eigentlich ein bekennender Fan des alten Fernsehens, wird er von Hallervorden als „lebendes Plagiat“ gebrandmarkt. Pastewka sei ein talentierter Verräter, der nie den Mut hatte, etwas Eigenes zu schaffen, sondern sich nur am Erbe der Großen bedient – inklusive Hallervorden selbst.

Besonders perfide ist der Vorwurf der Manipulation im Synchronstudio. Pastewka und Hallervorden arbeiteten oft als Synchronsprecher. Didi enthüllt nun, dass Pastewka angeblich Dialoge manipuliert habe, um Hallervordens Figur lächerlich und die Sätze bedeutungslos zu machen – heimlich, hinter dem Rücken des Meisters. „Er beherrscht es, hinter dem Rücken anderer zu sprechen, etwas, das er niemals wagen würde, auf seiner eigenen Bühne zu tun“, so Hallervordens bitteres Fazit.

Didi Hallervorden und Otto Waalkes lüften auf Sylt ein Geheimnis

Ein Abschied mit einem Knall

Mit 90 Jahren zieht Dieter Hallervorden einen Schlussstrich, der tiefe Gräben hinterlässt. Es ist die Abrechnung eines Mannes, der sein Leben der Kunst gewidmet hat und nun mit ansehen muss, wie sich die Branche verändert hat – in seinen Augen zum Schlechten. Ob diese Vorwürfe in allen Punkten der objektiven Wahrheit entsprechen oder durch die Brille persönlicher Enttäuschung gefärbt sind, sei dahingestellt.

Fakt ist: Diese „Liste des Hasses“ ist ein einzigartiges Dokument der deutschen Fernsehgeschichte. Sie zeigt, dass hinter dem Lachen auf der Bühne oft ein bitterer Kampf um Anerkennung, Macht und Deutungshoheit tobt. Dieter Hallervorden hat das Licht im Saal angemacht, und was wir sehen, ist alles andere als lustig. Es bleibt abzuwarten, ob einer der fünf „Angeklagten“ den Mut hat, dem alten Löwen zu antworten.