Es gibt Momente im Leben einer Legende, in denen die Maske fällt. Für Suzi Quatro, die Frau, die in den 70er Jahren in einem hautengen Lederoverall die männerdominierte Rockwelt im Sturm eroberte, ist dieser Moment jetzt gekommen. Mit 75 Jahren blickt die „Queen of Rock“ zurück – nicht mit der Faust in der Luft, sondern mit einer entwaffnenden Ehrlichkeit, die zu Tränen rührt. In einem seltenen, tiefgehenden Interview hat sie nun Themen angesprochen, die sie jahrzehntelang verdrängt, überspielt oder schlichtweg verschwiegen hatte. Von den wahren Gefühlen für Chris Norman bis zu den einsamen Nächten in einem viel zu großen Haus: Dies ist die Geschichte der echten Suzi Quatro.

Detroit: Wo der Stahl gehärtet wurde

Um Suzi Quatro zu verstehen, muss man zurückgehen in den Rauch und Lärm von Detroit in den 1950er Jahren. Geboren als Susan Kay Quatro, wuchs sie in einem Haus auf, in dem Musik keine Wahl, sondern Pflicht war. Ihr Vater Art, ein Jazzmusiker, führte ein strenges Regiment. „Es war ein Zuhause, in dem Talent erwartet wurde, nicht optional war“, erinnert sich Suzi.

A YouTube thumbnail with maxres quality

Schon mit sechs Jahren, als sie Elvis Presley im Fernsehen sah, wusste sie, dass sie nicht vor der Bühne stehen wollte – sie wollte auf ihr stehen. Doch der Weg dorthin war gepflastert mit Einsamkeit. Obwohl sie auf der Bühne zur extrovertierten Naturgewalt wurde, zog sie sich innerlich zurück. Die junge Suzi lernte früh, ihre Gefühle zu verbergen, sogar vor ihrer eigenen Familie. Diese Dualität – die laute Rockröhre nach außen und das verletzliche Mädchen im Inneren – sollte ihr ständiger Begleiter werden.

Die Flucht nach London und die Geburt einer Ikone

Der Wendepunkt kam 1971, als der britische Produzent Mickey Most in der kleinen Suzi aus Detroit etwas sah, das Amerika übersehen hatte. Er bot ihr eine Chance, von der andere nur träumten, doch der Preis war hoch: Sie musste alles zurücklassen. Mit kaum 21 Jahren stieg sie in ein Flugzeug nach London, ließ ihre Familie, ihre Schwestern und ihre Band „The Pleasure Seekers“ zurück.

In London wurde sie neu geschmiedet. Die Glam-Rock-Welle rollte an, und Suzi ritt ganz oben auf ihr. Mit Hits wie „Can the Can“ und „Devil Gate Drive“ zertrümmerte sie das Bild des braven Mädchens. Sie trug Leder, sie spielte Bass wie ein Kerl, und sie verlangte Respekt. „Ich musste mich nie ausziehen, um sexy zu sein“, betont sie heute mit Stolz. „Meine Kraft kam aus Talent und Stärke.“ Doch während die Welt die Unbesiegbare feierte, wuchs in ihr eine Sehnsucht nach etwas, das der Rock ‘n’ Roll ihr nicht geben konnte.

Suzi Quatro & Chris Norman – Stumblin' In – Vinyl (Clear, 7", 45 RPM), 1978  [r1771477] | Discogs

Das Chris-Norman-Mysterium: „Stumblin’ In“ und die Wahrheit über ihre Gefühle

Es ist das Thema, über das Fans seit 1978 spekulieren: Was lief wirklich zwischen Suzi Quatro und Smokie-Sänger Chris Norman? Ihr Duett „Stumblin’ In“ war so voller Zärtlichkeit, so intim, dass es unmöglich schien, dass dies nur Schauspielerei war.

Mit 75 Jahren gibt Suzi nun endlich zu: Die Gefühle waren echt. „Chris Norman war eine der wärmsten Seelen, mit denen ich je gearbeitet habe“, gesteht sie leise. Die Aufnahmen im Studio beschreibt sie als „seltsam friedlich“, einen sicheren Hafen inmitten des Chaos ihrer Karrieren.

Aber sie stellt auch klar: Es war keine schmutzige Affäre. Beide waren damals verheiratet, beide respektierten ihre Partner. Doch die emotionale Verbindung, diese „reine Instinktivität“, war unbestreitbar. „Die Leute wollen eine romantische Geschichte“, sagt Suzi, „aber die Wahrheit ist einfacher und doch tiefer: Wir hatten eine seltene Verbindung. Man hört es in der Musik.“

Für Suzi wurde „Stumblin’ In“ zu einem bittersüßen Triumph. Der Song zeigte eine weiche, verletzliche Seite von ihr, die sie eigentlich verstecken wollte. Sie hatte ihre Identität auf Härte und Unabhängigkeit aufgebaut – und plötzlich liebte die Welt sie für ihre Zärtlichkeit.

Wenn die Lichter ausgehen: Der Schmerz hinter den Kulissen

Während Suzi auf den Bühnen der Welt triumphierte, brach ihr privates Glück leise auseinander. Ihre Ehe mit ihrem Gitarristen Len Tuckey, die 1976 begann, wirkte wie das perfekte Rock-Märchen. Sie lebten in einem Herrenhaus in Essex, bekamen zwei Kinder. Doch der Ruhm fordert seinen Tribut. 1992, nach 16 Jahren, zerbrach die Ehe.

Für Suzi war dies einer der dunkelsten Momente ihres Lebens. Sie verlor nicht nur ihren Ehemann, sondern auch ihren musikalischen Partner. „Es war verheerend“, gibt sie zu. Auch ihre zweite Ehe mit dem deutschen Konzertveranstalter Rainer Haas endete in Scheidung. Immer wieder musste die Frau, die Millionen begeisterte, lernen, allein zu sein.

Besonders schmerzhaft wurde es, als 2008 ihre Kinder endgültig auszogen. Das große Haus in Essex, einst voller Leben, wurde still. Suzi fiel in ein tiefes „Empty Nest Syndrom“. Die Stille war für jemanden, der sein Leben im Lärm verbracht hatte, unerträglich. Sie verkaufte das Haus – es tat zu weh, allein durch die leeren Räume zu gehen.

Das perfekte Duo: Chris Norman & Suzi Quatro – "Stumblin' In"

Körperliche Narben und der Kampf gegen die Zeit

Auch an einer „Iron Lady“ geht die Zeit nicht spurlos vorbei. Suzi spricht offen über ihre schweren Unfälle. 2012 stürzte sie beim Einsteigen in ein Flugzeug in Kiew, brach sich Knie und Handgelenk. 2017 folgte ein weiterer schwerer Sturz. Für die disziplinierte Musikerin fühlten sich diese Verletzungen wie ein Verrat ihres eigenen Körpers an. Doch Aufgeben war nie eine Option. Sie kämpfte sich zurück, trainierte, stand wieder auf der Bühne.

Abrechnung mit den Mythen

Zum Abschluss ihres emotionalen Rückblicks räumt Suzi mit den hartnäckigsten Gerüchten auf. Nein, sie führte kein Leben voller Drogen und Exzesse. „Ich habe vielleicht ein oder zwei Hotelzimmer verwüstet“, schmunzelt sie, „aber ich war immer professionell.“

Am meisten schmerzte sie jedoch der Vorwurf, sie sei nur durch „Sex Sells“ erfolgreich gewesen. „Die Welt dachte, sie kennt mich“, sagt sie mit schwerem Atem. „Aber sie wusste nie wirklich, wer ich war.“

Heute, mit 75, muss Suzi Quatro niemandem mehr etwas beweisen. Ihre Offenheit macht sie menschlicher als je zuvor. Sie ist nicht mehr nur die Legende im Lederoverall, sondern eine Frau, die geliebt, verloren und überlebt hat – und die endlich Frieden mit ihrer eigenen Geschichte geschlossen hat.