Europa hält den Atem an, doch viele Bürger ahnen noch nicht, wie nah der Einschlag wirklich ist. Was sich derzeit westlich des Rheins zusammenbraut, ist weit mehr als eine der üblichen politischen Schlammschlachten oder eine vorübergehende wirtschaftliche Delle. Es ist das Donnergrollen eines heraufziehenden Sturms, der das Potenzial hat, das Fundament der Europäischen Union nicht nur zu erschüttern, sondern es pulverisieren. Frankreich, die zweitgrößte Volkswirtschaft des Kontinents, steht am Rande eines systemischen Kollapses. Die Warnlampen im Maschinenraum der Eurozone blinken nicht mehr nur rot – sie stehen kurz vor dem Durchbrennen. Während in Berlin und Brüssel noch versucht wird, die Fassade der Stabilität aufrechtzuerhalten, sprechen Finanzexperten und Analysten hinter vorgehaltener Hand längst von einer “tickenden Zeitbombe”, deren Detonation die Finanzkrise von 2008 wie ein harmloses Vorgeplänkel aussehen lassen könnte.

Der 3-Billionen-Euro-Albtraum

Um die Dimension dieser Bedrohung zu begreifen, muss man den Blick auf die nackten, grausamen Zahlen richten. Frankreichs Staatsverschuldung hat die Marke von 114 Prozent des Bruttoinlandsprodukts erreicht. Eine abstrakte Zahl? Keineswegs. Erinnern wir uns an Griechenland, Portugal oder Irland. Als diese Länder während der Eurokrise unter den Rettungsschirm flüchten mussten, wiesen sie ähnliche Schuldenquoten auf. Doch hier endet der Vergleich – und der wahre Schrecken beginnt. Griechenland war ein ökonomischer Zwerg, dessen Rettung zwar teuer, aber machbar war. Frankreich hingegen ist ein Gigant. Wenn dieser Riese fällt, bebt der gesamte Kontinent.

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Der renommierte und für seine scharfen Analysen bekannte Finanzexperte Markus Krall bringt eine Zahl ins Spiel, die jedem Steuerzahler in Europa das Blut in den Adern gefrieren lassen muss: 3 Billionen Euro. Das ist das realistische Volumen, das nötig wäre, um Frankreich im Ernstfall aufzufangen. 3.000.000.000.000 Euro. Es gibt keinen Rettungsschirm der Welt, der prall genug gefüllt wäre, um eine solche Last zu tragen. Weder der IWF noch die EZB könnten eine solche Summe einfach aus dem Hut zaubern, ohne die Währung endgültig zu ruinieren. Und wer soll diese Rechnung begleichen? Italien und Spanien kämpfen selbst ums Überleben. Die kleineren Staaten sind irrelevant. Am Ende bleibt nur einer: Deutschland.

Deutschland: Der kranke Retter

Doch hier liegt die Tragik der Situation: Der einstige “Fels in der Brandung”, die deutsche Wirtschaft, ist selbst porös geworden. Deutschland ächzt unter einer selbstgemachten Krise aus Deindustrialisierung, explodierenden Energiepreisen und einer bürokratischen Erstickungstaktik. Die Vorstellung, dass die Bundesrepublik in ihrer aktuellen Verfassung eine 3-Billionen-Last schultern könnte, ist nicht nur illusionär, sie ist gefährlich. Ein solches Szenario würde die deutsche Staatsverschuldung in Sphären katapultieren, die den eigenen Staatsbankrott riskieren würden. Wir stünden vor der paradoxen Situation, dass der Retter selbst gerettet werden müsste – nur dass dann niemand mehr da ist, um zu helfen.

Markus Krall und andere Ökonomen warnen eindringlich: Wenn Deutschland versucht, Frankreich zu retten, retten wir niemanden, sondern ziehen uns selbst mit in den Abgrund. Es wäre ein kollektiver wirtschaftlicher Suizid aus falscher europäischer Solidarität. Die Insolvenzwellen, die derzeit durch den deutschen Mittelstand rollen, sind erst der Anfang. Wenn dann noch gigantische Transferzahlungen nach Paris fließen müssten, wäre das Ende des deutschen Wohlstandsmodells besiegelt. Die “Abwanderung der Leistungsträger”, die bereits jetzt zu beobachten ist – Ingenieure, Ärzte, Unternehmer, die dem Land den Rücken kehren – würde sich zu einer Massenflucht des Kapitals und des Know-hows auswachsen.

Macrons Dämmerung und die politische Anarchie

Die wirtschaftliche Misere Frankreichs wird durch eine politische Lähmung verschärft, die ihresgleichen sucht. Emmanuel Macron, einst als der “Mozart der Finanzen” und Retter Europas gefeiert, steht vor den Trümmern seiner Präsidentschaft. Mit Zustimmungswerten, die auf katastrophale 11 Prozent abgestürzt sind, regiert er faktisch ohne Volk. Er ist ein König ohne Land, ein Präsident auf Abruf. Seine Autorität ist erodiert, zerrieben zwischen den Fronten eines unversöhnlichen Kulturkampfes.

Inside the Élysée: the reflected glory of Macron's gilded cage | World news  | The Guardian

Auf den Straßen Frankreichs herrscht eine explosive Stimmung. Es ist nicht mehr nur der traditionelle Protest der Gewerkschaften. Es ist eine Mischung aus der Wut der “Gilets Jaunes”, der Frustration der abgehängten Landbevölkerung und der explosiven Unruhe in den Banlieues. Jede Sparmaßnahme, jeder Versuch, das Ruder herumzureißen, wirkt wie ein Streichholz in einem Pulverfass. Generalstreiks legen das Land lahm, und die Gewaltbereitschaft nimmt zu. In diesem Chaos wächst eine neue Macht heran: Das Rassemblement National unter Marine Le Pen und ihrem jungen Ziehsohn Jordan Bardella. Sie stehen bereit, das Vakuum zu füllen, das der implodierende Macronismus hinterlässt. Doch selbst ein Machtwechsel würde die ökonomischen Realitäten nicht ändern. Die strukturellen Probleme – ein aufgeblähter Sozialstaat, ein starrer Arbeitsmarkt, eine Reformunfähigkeit der Eliten – sind so tief verwurzelt, dass sie sich nicht durch Wahlen lösen lassen.

Das Schweigen der Eliten und die Angst in Brüssel

In den Korridoren der Macht in Brüssel weiß man um diese Gefahr. Ursula von der Leyen und ihr Stab sind sich der Brisanz bewusst. Sie sehen die Zahlen, sie sehen die Charts, sie lesen die internen Berichte. Sie wissen, dass Frankreich mit “klassischen Mitteln” kaum noch zu stabilisieren ist. Doch nach außen herrscht eisiges Schweigen. Warum? Weil die Wahrheit die Märkte in Panik versetzen würde. Ein offenes Eingeständnis, dass die zweitgrößte Volkswirtschaft der Eurozone wankt, würde sofortige Turbulenzen an den Anleihemärkten auslösen. Die Zinsen für französische Staatsanleihen würden durch die Decke schießen, und die selbsterfüllende Prophezeiung des Bankrotts wäre nicht mehr aufzuhalten.

Also spielt man auf Zeit. Man hofft auf ein Wunder, auf sinkende Energiepreise, auf ein plötzliches Wirtschaftswachstum. Doch “Hoffnung” ist keine Strategie. Es ist die Verweigerung der Realität. Markus Krall beschreibt Krisenzyklen, die sich historisch immer weiter aufschaukeln. Nach 2008 und 2012 steuern wir nun auf das “Endgame” zu. Wenn das Volumen der nächsten Krise tatsächlich 8 Billionen Euro für ganz Europa erreicht, wie Krall prognostiziert, dann ist das heutige Geldsystem am Ende.

Referent Markus Krall | Experte für Geld- & Wirtschaftspolitik

Die Schicksalsfrage für uns alle

Wir stehen an einem historischen Scheideweg. Die kommenden Monate werden entscheiden, ob der Euro überlebt oder als gescheitertes Experiment in die Geschichtsbücher eingeht. Die Bürger müssen verstehen, dass dies keine abstrakten Spiele der Hochfinanz sind. Es geht um ihre Ersparnisse, ihre Renten, ihre Jobs. Wenn Frankreich fällt, fällt der Euro. Und wenn der Euro fällt, steht Europa vor einer Neuordnung, die wir uns heute in ihrer Härte noch gar nicht ausmalen können.

Die USA fordern mehr Eigenverantwortung, China lauert auf Schnäppchen in der europäischen Industrielandschaft, und Russland beobachtet genüsslich die Selbstzerfleischung des Westens. In dieser geopolitischen Großwetterlage leistet sich Europa den Luxus, seine eigene wirtschaftliche Basis zu ruinieren. Es ist höchste Zeit, die Augen zu öffnen. Die “Frontlinie Europa”, wie der Kanal es treffend nennt, verläuft nicht irgendwo im Osten – sie verläuft mitten durch unsere Geldbeutel und unsere Zukunftserwartungen. Frankreichs Kollaps wäre nicht das Ende von Frankreich, aber es wäre das Ende des Europas, wie wir es kennen. Und Deutschland? Deutschland muss sich entscheiden, ob es mit untergehen oder sich endlich auf seine eigenen Interessen besinnen will. Die Zeit der Scheckbuch-Diplomatie ist vorbei. Jetzt beginnt der Kampf ums wirtschaftliche Überleben.