Es gibt Tage, an denen sich die politische Tektonik eines ganzen Kontinents verschiebt. Dieser Tage erleben wir genau das. Während man in Berlin noch versucht, den Schein der Stabilität zu wahren, kommt aus Rom eine Schockwelle, die das Fundament der Europäischen Union und der deutschen Bundesregierung gleichermaßen erschüttert. Giorgia Meloni, Italiens Ministerpräsidentin, hat eine Rede gehalten, die nichts weniger ist als eine offene Kriegserklärung an den bisherigen Kurs der EU – und ein vergiftetes Geschenk für Bundeskanzler Friedrich Merz.

Was sich derzeit auf der europäischen und nationalen Bühne abspielt, ist ein Drama in drei Akten: der Angriff von außen, der Zerfall von innen und das stille Bröckeln der letzten Tabus.

Der Angriff aus Rom: Meloni zeichnet die Karte neu

Niemand in Brüssel hatte mit dieser Wucht gerechnet. Meloni, die Strategin der europäischen Rechten, las der EU in einer Grundsatzrede die Leviten. Ihr Vorwurf: Die Union habe sich in die geopolitische Bedeutungslosigkeit manövriert, unfähig, auf die Giganten USA und China zu reagieren. Doch der eigentliche Sprengstoff lag in ihrer Übereinstimmung mit US-Vizepräsident J.D. Vance, der Europa ein Demokratiedefizit attestierte. “Ich sage das schon seit Jahren”, so Meloni triumphierend.

Noch brisanter ist ihre neueste Initiative. Gemeinsam mit acht weiteren EU-Staaten – darunter Schwergewichte wie Polen und Österreich – bläst sie zum Angriff auf den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR). Der Vorwurf: Die Richter würden ihre Kompetenzen überschreiten und demokratische Nationalstaaten in der Migrationspolitik entmachten. Meloni fordert die Rückkehr zur nationalen Souveränität, um Grenzen effektiv zu schützen.

Für Berlin ist das ein Albtraum. Denn was Meloni fordert – Souveränität, Grenzkontrollen, Vorrang nationalen Rechts –, sind exakt die Punkte, mit denen die AfD in Deutschland punktet. Melonis Rede wirkt wie ein internationaler Ritterschlag für die Opposition im Bundestag und lässt die Regierung Merz, die weiterhin an der Brüsseler Linie festhält, isoliert und realitätsfern erscheinen.

Kanzlerdämmerung in Berlin: Merz unter Belagerung

Während Meloni in Europa die Offensive sucht, kämpft Friedrich Merz in Berlin ums politische Überleben. Die Zahlen sind verheerend. In einer fiktiven Direktwahl liegt AfD-Chefin Alice Weidel mittlerweile mit 29 Prozent vor dem amtierenden Kanzler (27 Prozent). Ein symbolischer Schlag, der tief sitzt. Das Vertrauen in die Regierung ist auf einem historischen Tiefpunkt: Nur noch 17 Prozent der Bürger glauben an die Handlungsfähigkeit der Koalition.

Doch die Gefahr droht nicht nur von den Umfragewerten, sondern aus den eigenen Reihen. Im Berliner Regierungsviertel spielt sich eine Tragödie ab, die das Ende der Kanzlerschaft Merz einläuten könnte. Die “Junge Gruppe” der CDU/CSU-Fraktion, 18 Abgeordnete, probt den offenen Aufstand gegen das geplante Rentenpaket.

Der Grund ist ein generationenpolitischer Skandal: Das Gesetz würde der jungen Generation ab 2033 eine Zusatzlast von 115 Milliarden Euro aufbürden. “Ein Verrat an der Jugend”, nennt es Pascal Reddig, einer der Anführer der Revolte. Da die Koalition nur über eine hauchdünne Mehrheit von zwölf Stimmen verfügt, könnte das “Nein” dieser 18 Rebellen das Gesetzesvorhaben – und damit die Regierung – zu Fall bringen. Merz steht da wie ein General ohne Truppen.

Skandale und Stillstand: Ein Land fährt gegen die Wand

Als wäre der politische Machtkampf nicht genug, offenbart ein Blick auf die Substanz des Landes ein Bild des Grauens. Interne Regierungsunterlagen, die nun an die Öffentlichkeit drangen, bestätigen den absoluten Stillstand: Bis 2028 wird in Deutschland keine einzige neue Autobahn und keine neue Bundesstraße gebaut. Trotz eines 500-Milliarden-Sondervermögens fließt kein Cent in neuen Asphalt. Schlimmer noch: Für die Instandhaltung der maroden Brücken und Straßen fehlt ab kommendem Jahr ein Loch von 15 Milliarden Euro. Deutschland, einst das Land der Ingenieure, verwaltet nur noch den Verfall.

Hinzu kommt ein moralischer Sumpf, der bis in die engsten Zirkel des Kanzleramts reicht. Kulturstaatsminister Wolfram Weimer sieht sich schweren Korruptionsvorwürfen ausgesetzt. Seine Medienfirma soll “Premiumzugänge” zu Regierungsmitgliedern verkauft haben – bis zu 80.000 Euro für einen Abend mit Ministern. Während die Opposition von einer “widerlichen Schlangengrube” spricht, schweigt Kanzler Merz. Ein Schweigen, das in der Bevölkerung zunehmend als Arroganz der Macht gedeutet wird.

Die Brandmauer fällt – in Brüssel und in den Köpfen

Das vielleicht bemerkenswerteste Ereignis fand jedoch fast unbemerkt in Brüssel statt. Das EU-Parlament reformierte das umstrittene Lieferkettengesetz – und zwar mit einer Mehrheit, die es laut deutscher Lesart gar nicht geben dürfte. Die konservative EVP (die Parteienfamilie von CDU/CSU) stimmte gemeinsam mit den “Rechten”, einschließlich der AfD, für die Reform.

Manfred Weber, der Chef der EVP, feierte dies als “Rückkehr zur Selbstbestimmung”. Für die Grünen war es ein Dammbruch. Es zeigt: Wenn es um sachorientierte Politik geht, ist die “Brandmauer” in Europa längst Geschichte. Nur in Berlin klammert man sich noch an ein Dogma, das politische Lösungen blockiert.

Selbst Pop-Titan Dieter Bohlen bringt auf den Punkt, was viele denken: “Man kann die Bevölkerung nicht einfach abtun.” Seine Diagnose: “Wir haben keine Regierung, wir haben eine Blockierung.”

Fazit: Die Uhr tickt

Deutschland steht an einem Kipppunkt. Der Druck von außen durch eine selbstbewusste italienische Regierung, die den EU-Konsens aufbricht, trifft auf eine Bundesregierung, die im Inneren von Skandalen, Inkompetenz und Meuterei zerfressen ist. Die Umfragen sprechen eine deutliche Sprache: Fast jeder Zweite schließt eine Wahl der AfD nicht mehr kategorisch aus. Das Potenzial der Partei liegt bei einem Drittel der Wählerschaft.

Friedrich Merz, der antrat, um die AfD zu halbieren, muss zusehen, wie sie unter seiner Kanzlerschaft zur stärksten Kraft heranwächst, während seine eigene Koalition im Chaos versinkt. Die Frage ist nicht mehr, ob diese Regierung scheitert, sondern nur noch, wann der letzte Dominostein fällt. Meloni hat ihn vielleicht gerade angestoßen.