Deutschland im Jahr 2025. Ein Blick in die Nachrichten genügt oft, um die Sorgenfalten auf der Stirn zu vertiefen. Traditionsbäckereien schließen reihenweise ihre Pforten, die Rentenkasse ächzt unter der Last des demografischen Wandels und die Bürger blicken verunsichert auf ihre monatlichen Abrechnungen. Währenddessen wirkt die politische Führung in Berlin bisweilen seltsam entrückt. Bundeskanzler Olaf Scholz, von Kritikern mittlerweile oft zynisch als „Lügenkanzler“ tituliert, philosophiert in Ruanda über deutsches Brot, während im eigenen Land die Existenzgrundlagen vieler Mittelständler bröckeln. Es ist eine explosive Stimmung, eine Mischung aus Resignation und Wut, die sich durch das Land zieht. In genau diese aufgeheizte Atmosphäre platzte nun ein Fernsehauftritt, der es in sich hatte und der das Zeug dazu hat, die Debatte über den Zustand unserer Demokratie neu zu entfachen.

Bei Markus Lanz saß niemand Geringeres als der Philosoph und Bestsellerautor Richard David Precht. Und wer Precht kennt, weiß: Er scheut sich nicht, auch unbequeme Wahrheiten auszusprechen. Doch was er diesmal zur besten Sendezeit über den Zustand der Meinungsfreiheit in Deutschland sagte, war mehr als nur eine philosophische Betrachtung. Es war eine handfeste Warnung, ein Weckruf, der bis in die Regierungszentrale hallen dürfte.

Die Illusion der Freiheit: Willkommen in der „sozialen Pleite“

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„Darf man das noch sagen?“ Diese Frage hört man oft, meist gefolgt von einem vorsichtigen Blick über die Schulter. Precht griff genau dieses Gefühl auf. Seine Analyse ist so scharf wie ernüchternd: Natürlich haben wir in Deutschland gesetzlich verankerte Meinungsfreiheit. Niemand wird verhaftet, nur weil er eine unpopuläre Meinung vertritt – zumindest in der Theorie. Doch die Praxis, so Precht, sieht mittlerweile ganz anders aus. Er spricht von „sozialen Kosten“, die so hoch geworden sind, dass sie einer Zensur gleichkommen.

Wer heute in Deutschland eine Meinung vertritt, die auch nur einen Millimeter vom akzeptierten Mainstream-Narrativ abweicht, riskiert nicht das Gefängnis, aber die „soziale Pleite“. Es droht die gesellschaftliche Ächtung. Man wird isoliert, in Schubladen gesteckt, als „Schwurbler“ oder „Rechter“ diffamiert, noch bevor ein echtes Argument ausgetauscht wurde. Precht beschreibt einen Mechanismus der Selbstzensur, der sich wie Mehltau über das Land legt: Menschen überlegen sich sehr genau, ob sie den Mund aufmachen, weil sie Angst haben, ihren Job, ihre Freunde oder ihren Ruf zu verlieren.

Das ist der Kern des Problems: Die Freiheit steht zwar im Gesetzbuch, aber sie wird im Alltag erstickt durch eine Atmosphäre der Intoleranz. Die „Meinungstoleranz“, wie Precht es nennt, ist dramatisch geschrumpft, vielleicht sogar ganz verschwunden. Ein gefährlicher Zustand für eine offene Gesellschaft, die vom Austausch verschiedener Ansichten lebt.

Der verengte Meinungskorridor und seine Folgen

Warum ist das so gefährlich? Precht liefert hier eine fast schon paradox klingende, aber zutiefst logische Erklärung. Viele glauben, man müsse den Meinungskorridor verengen, um radikale Ansichten draußen zu halten. Man glaubt, die Demokratie zu schützen, indem man bestimmte Themen tabuisiert oder Kritiker sofort mundtot macht. Doch genau das Gegenteil passiert.

„Je geringer der Meinungskorridor wird, umso mehr gibt man radikalen Kräften einen Aufschwung“, warnt Precht. Wenn Menschen das Gefühl haben, dass ihre legitimen Sorgen und Fragen – sei es zur Impfung, zur Energiepolitik oder zur Migration – im öffentlichen Diskurs keinen Platz mehr haben, treibt man sie förmlich in die Arme derer, die einfache Antworten versprechen. Die Ausgrenzung von Andersdenkenden bekämpft den Radikalismus nicht, sie züchtet ihn. Eine liberale Demokratie muss, so Precht, ein möglichst breites Spektrum an Meinungen aushalten können. Die Grenze darf erst dort gezogen werden, wo das Strafrecht beginnt: bei echter Volksverhetzung oder Gewaltandrohung. Alles andere muss eine Gesellschaft ertragen, sonst schafft sie sich selbst ab.

Paragraph 188: Die neue „Majestätsbeleidigung“?

Markus Lanz und Richard David Precht üben sich im Podcasten

Besonders brisant wurde die Diskussion, als es um den Umgang der Politik mit Kritik ging. Hier kam der berüchtigte Paragraph 188 des Strafgesetzbuches zur Sprache. Ein Paragraph, der, wie Precht nicht ohne Ironie anmerkte, quasi wegen ihm selbst und seiner Kritik an Karl Lauterbach populär wurde. Dieser Paragraph stellt Politiker unter einen besonderen Schutz gegen Verleumdung und Beleidigung im öffentlichen Leben.

Was ursprünglich als Schutz vor Hasskampagnen in der Pandemie gedacht war, hat sich mittlerweile zu einem Instrument entwickelt, das viele Bürger als Waffe der Mächtigen gegen die Ohnmächtigen empfinden. Warum, so fragt Precht völlig zu Recht, genießen Politiker einen Schutz, den der normale Bürger, der Lehrer, die Krankenschwester oder auch der prominente Fernsehphilosoph nicht hat? Wer in die Öffentlichkeit geht, muss Kritik aushalten können. Das gehört zum Jobprofil eines Volksvertreters.

Doch stattdessen erleben wir eine Klagewelle. Minister wie Annalena Baerbock oder Robert Habeck nutzen diesen Paragraphen, um gegen Bürger vorzugehen. Precht vergleicht dies metaphorisch mit der Wiedereinführung der „Majestätsbeleidigung“. Es entsteht der Eindruck: Die da oben sind unantastbar, und wehe dem da unten, der einen falschen Witz macht.

Das „Schwachkopf“-Gate: Wenn der Staat überreagiert

Am deutlichsten wurde diese Schieflage am Beispiel von Robert Habeck und der Affäre um das „Schwachkopf“-Meme. Ein Rentner aus Bayern hatte ein Bild retweetet, das den Wirtschaftsminister satirisch als „Schwachkopf“ bezeichnete. Die Reaktion des Rechtsstaates? Eine Hausdurchsuchung, Beschlagnahmung des Computers, ein volles Programm polizeilicher Ermittlungen.

Hier fand Precht seine vielleicht deutlichsten Worte des Abends. Er stellte die Verhältnismäßigkeit infrage und wagte eine These, die einschlug wie eine Bombe: Der Rentner mit seinem Meme habe weit weniger Schaden an der Demokratie angerichtet als Robert Habeck, der diesen Mann strafrechtlich verfolgen ließ.

Dieser Satz sitzt. Er entlarvt die Arroganz der Macht. Wenn ein Vizekanzler die volle Härte des Staatsapparates gegen einen einfachen Bürger wegen einer Satire mobilisiert (oder mobilisieren lässt und dem zustimmt), sendet das ein fatales Signal. Es signalisiert: Wir gegen euch. Es signalisiert, dass Politiker nicht mehr Diener des Volkes sind, sondern sich über das Volk erhaben fühlen. Precht fordert daher konsequent die Abschaffung dieses Sonderstatus-Paragraphen. Gleiches Recht für alle – das sollte in einer Demokratie eigentlich selbstverständlich sein.

Ein Land am Limit

Die Analyse von Precht bei Lanz steht nicht im luftleeren Raum. Sie trifft auf ein Land, das ohnehin unter Spannung steht. Wie der Satiriker Tim Kellner in seiner Rahmung des Beitrags treffend bemerkt, wirken die Prioritäten der Regierung oft grotesk verschoben. Während die Bürger unter Inflation und Unsicherheit leiden, während Weihnachtsmärkte zu Festungen ausgebaut werden müssen, um Sicherheit zu suggerieren, beschäftigt sich die Politik mit dem Kampf gegen „Desinformation“ und der Jagd auf Kritiker.

Die „Werte“, die uns angeblich vermittelt werden sollen – oft durch Politiker wie Nancy Faeser, die Schulungen in „Wertekunde“ fordern –, wirken zunehmend hohl, wenn gleichzeitig die realen Probleme der Menschen ignoriert werden. Es entsteht der Eindruck einer Regierung, die lieber das Volk erziehen will, als seine Probleme zu lösen.

Fazit: Wir müssen reden – aber ehrlich!

Robert Habeck – Wikipedia

Richard David Prechts Auftritt war mehr als nur TV-Unterhaltung. Er war ein notwendiger Spiegel, der uns vorgehalten wurde. Wenn wir nicht wollen, dass unsere Gesellschaft weiter auseinanderdriftet, müssen wir aufhören, abweichende Meinungen zu dämonisieren. Wir müssen lernen, Widerspruch wieder auszuhalten, ohne den anderen sofort sozial zu vernichten.

Und vor allem müssen unsere Politiker lernen, dass sie nicht über dem Gesetz und nicht über der Kritik stehen. Ein Minister, der wegen eines Memes die Polizei losschickt, zeigt keine Stärke, sondern Schwäche. Wahre demokratische Größe zeigt sich im Umgang mit Kritikern, nicht in deren Verfolgung. Es bleibt zu hoffen, dass Prechts Warnung in Berlin gehört wird – bevor die „soziale Pleite“ in einen echten demokratischen Bankrott mündet. Die Zeit für eine ehrliche Debatte ohne Scheuklappen ist überfällig.