Es ist ein Beben in der Welt des deutschen Schlagers, das noch lange nachhallen wird. Jahrelang war er der Inbegriff von guter Laune, Bodenständigkeit und unbändiger Energie. Wolfgang Petry, der Mann mit den Freundschaftsbändern, dem Holzfällerhemd und den Hymnen, die ganze Stadien zum Kochen brachten. Doch hinter der Fassade des sympathischen Kumpel-Typs verbarg sich oft ein einsamer Mann, der mehr einstecken musste, als seine Fans je ahnten. Jetzt, im Alter von 74 Jahren, öffnet „Wolle“ zum ersten Mal die Tür zu seiner Vergangenheit und spricht über die Schattenseiten seines Ruhms. Er nennt fünf Namen – fünf Ikonen der Musikbranche – die ihn nicht unterstützten, sondern ihn mit spitzen Bemerkungen und herablassendem Verhalten tief verletzten.

Für das Publikum war er der Größte. Songs wie „Wahnsinn“ oder „Verlieben, verloren, vergessen, verzeih’n“ sind längst Kulturgut. Doch während die Fans ihn auf Händen trugen, wehte ihm hinter den Kulissen oft ein eisiger Wind entgegen. „Ich habe nie viel geredet“, sagt Petry heute rückblickend. „Aber manches Schweigen hat mich schwerer gemacht als jede Tour.“ Es ist eine Beichte, die nicht von Rache getrieben ist, sondern von der späten Sehnsucht nach Klarheit. Die fünf Männer, die er nennt, sind keine Unbekannten. Sie sind Titanen des Showgeschäfts. Doch gerade das macht ihre Worte so gewichtig und schmerzhaft.

Roland Kaiser: Der scharfe Schnitt des Gentleman

Den Anfang macht ausgerechnet der Grandseigneur des deutschen Schlagers: Roland Kaiser. Auf der Bühne und im Fernsehen wirkten beide oft wie zwei Seiten derselben Medaille – erfolgreich, charismatisch, verehrt. Doch privat, so enthüllt Petry, trennten sie Welten. Kaiser, stets im maßgeschneiderten Anzug, und Petry im rustikalen Look – dieser visuelle Kontrast wurde von Kaiser offenbar auch als qualitativer Unterschied gewertet.

Petry erinnert sich an einen Moment Anfang der 80er Jahre in einer großen ZDF-Show. Nach einer energiegeladenen Probe stand Kaiser am Bühnenrand und bemerkte leise zu einem Produzenten: „Er hat Kraft, ja, aber keine Eleganz.“ Petry hörte es. Er lächelte weiter, doch innerlich traf ihn der Satz wie ein Stein. Es war der Beginn einer Reihe von subtilen Demütigungen. Bei einer Preisverleihung legte Kaiser noch nach: „Dein Look ist Kult, Wolfgang, aber Kult ist nicht gleich Klasse.“

Den Höhepunkt erreichte die Spannung auf einer Pressekonferenz, als Kaiser auf die Frage nach Konkurrenz antwortete: „Wir bedienen unterschiedliche Erwartungen. Ich das Publikum, er die Masse.“ Ein Satz, der Petry auf den Platz des einfachen Handwerkers verwies, während Kaiser sich selbst als Künstler stilisierte. Als Petry ihn später zur Rede stellte, antwortete Kaiser nur: „Weil du es aushältst, Wolfgang, und ich es sagen muss.“ Für Petry blieb Kaiser der Mann, der ihn öffentlich bewunderte, aber privat stets klein hielt.

Howard Carpendale: Das Lagerfeuer im Schatten des Spotlights

Wenn Roland Kaiser die Eleganz verkörperte, dann war Howard Carpendale für Petry der Spiegel einer Welt, die ihn nie ganz akzeptieren wollte. Der Südafrikaner mit dem charmanten Akzent und der souveränen Aura ließ Petry oft spüren, dass er ihn nicht auf Augenhöhe sah. Ein besonders schmerzhafter Moment ereignete sich backstage bei einer ARD-Produktion. Petry hatte gerade einen ehrlichen, kraftvollen Soundcheck beendet, als Carpendale halblaut kommentierte: „Er hat Feuer, aber es ist ein Lagerfeuer, kein Spottlicht.“

Das Gelächter der Crew brannte sich in Petrys Gedächtnis ein. Carpendale ging sogar so weit, ihm kurz vor einer gemeinsamen Moderation ins Ohr zu flüstern: „Wenn du unsicher bist, lass es mich machen. Das Publikum erwartet Niveau.“ Es war keine Hilfe, es war eine Machtdemonstration. Howard Carpendale sah in Petrys Authentizität offenbar einen Mangel an Kunstfertigkeit. „Wolfgang ist authentisch, aber Authentizität ersetzt keine Kunst“, soll er einmal vor Journalisten gesagt haben. Für Petry war Carpendale die ständige Erinnerung daran, dass Respekt im Showgeschäft oft nur eine Maske für Überheblichkeit ist.

Jürgen Drews: Der König von Mallorca und der stille Spott

Jürgen Drews, der Mann, der jede Bühne in eine Party verwandelte, war für Wolfgang Petry das genaue Gegenteil seines eigenen Wesens. Während Petry seine Musik fühlte, schien Drews sie zu inszenieren. Doch es war nicht die Art der Musik, die verletzte, sondern Drews’ Umgang mit Petrys Ernsthaftigkeit.

„Ach Wolfgang, bereit für ein bisschen Stimmung oder willst du uns wieder was Ernstes vorsingen?“, rief Drews ihm einmal im Bademantel und mit Wasserflasche in der Hand vor einem Auftritt zu. Was als Scherz getarnt war, empfand Petry als Herabwürdigung seiner Arbeit. Drews, so schildert es Petry, hatte kein Gespür für Grenzen. Bei einer TV-Aufzeichnung missachtete er Absprachen, fiel Petry ins Wort und erklärte später grinsend: „Wolfgang, du bist einfach zu langsam für meinen Flow.“

Besonders tief saß ein Kommentar hinter den Kulissen einer Chartshow, als Drews über Petrys Zeitlosigkeit spottete: „Wolfgang ist auch zeitlos. Aber manche Dinge sind zeitlos, weil sie nicht erneuert werden können.“ Für Petry war Drews der Kollege, der immer nur die Party sah, aber nie den Menschen dahinter respektierte.

Matthias Reim: Der „Nachfolger“, der zum Rivalen wurde

Als Matthias Reim Anfang der 90er mit „Verdammt, ich lieb’ dich“ die Charts stürmte, wurde er medial oft als der „neue Petry“ gehandelt. Jung, blond, rebellisch. Doch statt einer kollegialen Übergabe entwickelte sich eine bittere Rivalität, befeuert durch Reims Verhalten.

Petry erinnert sich an einen Moment, als Reim nach einem gelungenen Auftritt Petrys anmerkte: „Ja, aber irgendwann will das Publikum was Frisches.“ Reim sah in Petry kein Vorbild, sondern ein Auslaufmodell. Auf die Frage, ob er Petry nacheifere, antwortete Reim einmal öffentlich: „Nein, ich gehe meinen eigenen Weg. Man kann nicht ewig Holzfällerhemden kopieren.“

Der härteste Schlag traf Petry bei einer Preisverleihung. Reim, von Journalisten umringt, dozierte darüber, dass man „Platz machen können muss“ und fügte im Vorbeigehen an Petry hinzu: „Nicht wahr, Wolfgang?“ Es war eine Einladung zur Selbstaufgabe. Als Petry ihn konfrontierte, zuckte Reim nur mit den Schultern: „Weil das Geschäft hart ist und weil man nicht alt aussehen will. Auch nicht neben dir.“ Matthias Reim war für Petry das Gesicht einer neuen Generation, die ihn nicht nur ersetzen, sondern überholen und vergessen machen wollte.

Bernhard Brink: Die brutale Ehrlichkeit

Bernhard Brink war vielleicht nicht der lauteste Kritiker, aber seine Worte waren oft die schärfsten, weil sie so unverblümt ehrlich waren. Brink hielt nicht viel von falscher Höflichkeit. Schon früh in ihrer Karriere sagte er über Petrys Erfolg: „Sag das nicht zu laut, er hat schon genug Glück gehabt.“

Für Petry, der hart für seinen Erfolg arbeitete, war der Vorwurf, alles sei nur „Glück“ und nicht „Talent“, ein Schlag ins Gesicht. Brink ließ nicht locker. Bei Proben kommentierte er Petrys Bemühungen mit: „Er bemüht sich. Aber Bemühen ist nicht dasselbe wie Klasse.“

Den emotionalen Tiefpunkt erreichte ihre Beziehung bei einer Gala in Düsseldorf. Vor laufenden Kameras erklärte Brink lächelnd: „Wolfgang ist ein ehrlicher Typ. Aber im Schlager reicht Ehrlichkeit nicht, man braucht Raffinesse.“ Später an der Bar versuchte Brink, die Wogen zu glätten, indem er sagte: „Nimm es mir nicht übel, ich sage nur, was andere denken.“ Doch genau das war es, was am meisten wehtat. Brink bestätigte Petrys schlimmste Befürchtung: Dass er in der Branche oft belächelt wurde.

Ein Rückblick ohne Zorn

Heute, mit 74 Jahren, blickt Wolfgang Petry nicht mit Hass zurück, sondern mit einer bewundernswerten Klarheit. Diese fünf Männer – Kaiser, Carpendale, Drews, Reim und Brink – waren Spiegelbilder einer harten, oft gnadenlosen Branche. Sie zeigten ihm, wie einsam man selbst inmitten von Applaus und Erfolg sein kann.

„Ich war nie einer, der Streit suchte“, resümiert Petry. „Aber ich war oft einer, der ihn abbekam.“ Seine Offenheit wirft ein neues Licht auf die Glitzerwelt des Schlagers. Sie zeigt, dass Authentizität oft ihren Preis hat und dass wahre Größe nicht darin besteht, andere klein zu machen, sondern bei sich selbst zu bleiben.

Wolfgang Petry hat genau das getan. Er hat sich nie verbiegen lassen, weder für die Eleganz eines Roland Kaiser noch für den „Flow“ eines Jürgen Drews. Und vielleicht ist genau das sein größter Sieg. Er ist der Mann geblieben, den die Menschen lieben – mit Ecken, Kanten und einem Herzen, das zwar Narben trägt, aber immer noch im richtigen Takt schlägt. „Ich habe gelernt, dass man nicht allen gefallen muss“, sagt er zum Abschluss. „Man muss sich selbst genügen.“ Ein Satz, der mehr Klasse hat als jeder maßgeschneiderte Anzug.