Das große Medien-Tabu im Fall Fabian: Warum schweigen alle über die Eltern? – Eine Analyse des Unfassbaren

Es gibt Kriminalfälle, die ein ganzes Land in Atem halten. Sie dominieren die Schlagzeilen, füllen die Sendezeit der Abendnachrichten und sind das Thema Nummer eins an jedem Stammtisch und in jedem Büro. Der „Fall Fabian“ ist genau solch ein Fall. Seit Monaten beschäftigt er die deutsche Öffentlichkeit. Wir lesen von Ermittlungsfehlern, wir hören von neuen Spuren, Gutachten werden zitiert und juristische Winkelzüge bis ins kleinste Detail analysiert. Doch mitten in diesem Sturm aus Informationen, Fakten und Hypothesen gibt es einen Ort der absoluten Stille. Ein schwarzes Loch in der Berichterstattung, das so gewaltig ist, dass es eigentlich jedem auffallen müsste, der auch nur zwei Artikel zu dem Thema gelesen hat. Es geht um die Eltern. Oder genauer gesagt: Es geht um das, was uns über sie verschwiegen wird.

Das dröhnende Schweigen der Presse

Wer die Berichterstattung zum Fall Fabian aufmerksam verfolgt, bemerkt schnell ein Muster, das so präzise und konsequent durchgehalten wird, dass es unmöglich ein Zufall sein kann. Zeitungen, Onlineportale, Fernsehsender – sie alle berichten ausführlich. Wir wissen, was der Anwalt sagt. Wir wissen, welche Fristen gesetzt wurden. Aber wir wissen absolut nichts über die Beziehung der Eltern zueinander.

In der Welt des Journalismus, besonders bei tragischen Fällen, in denen ein Kind zu Schaden kommt oder stirbt, ist das familiäre Umfeld normalerweise der erste Ankerpunkt der Erzählung. Nicht, um mit dem Finger auf jemanden zu zeigen oder vorschnell Schuldige zu benennen, sondern um einzuordnen. Um zu verstehen. Wie lebten sie? Waren sie getrennt? Gab es Streit? All das schafft den Kontext, den wir Menschen brauchen, um Geschehnisse zu begreifen. Im Fall Fabian jedoch? Fehlanzeige.

Mutter und Vater tauchen in den Berichten auf, ja. Aber sie erscheinen wie isolierte Satelliten, die nichts miteinander zu tun haben. Die Mutter wird in einem Absatz zitiert, der Vater in einem völlig anderen Kontext erwähnt. Es gibt keinen Satz, der ihre Verbindung beschreibt. Keine „getrennt lebenden Eltern“, kein „Ehepaar“, kein „gemeinsames Sorgerecht“. Nichts. Sie werden behandelt wie zwei Fremde, die zufällig im selben Drama die Hauptrollen spielen.

Ein System, keine Nachlässigkeit

Man könnte nun meinen: Vielleicht wissen die Journalisten es einfach nicht? Vielleicht ist es Privatsphäre? Doch diese Erklärung greift zu kurz. In Deutschland, einem Land, in dem Investigativ-Journalisten normalerweise jeden Stein umdrehen, ist ein solches kollektives Unwissen bei einem Fall dieser Größenordnung mehr als unwahrscheinlich. Zudem gibt es journalistische Codes für Unsicherheiten. Man schreibt „nach bisherigen Erkenntnissen“ oder „über die familiäre Situation ist wenig bekannt“. Doch im Fall Fabian finden wir nicht einmal diese vorsichtigen Annäherungen.

Die Lücke ist nicht einfach da, weil Informationen fehlen. Sie wirkt konstruiert. Sie wirkt wie eine Mauer, die bewusst hochgezogen wurde. Das Schweigen ist kein passives Weglassen, sondern ein aktives Instrument der Steuerung. Erfahrene Medienbeobachter wissen: Was nicht geschrieben wird, ist genauso eine redaktionelle Entscheidung wie das, was gedruckt wird. Und wenn sich diese Auslassung durch alle großen Medien zieht, von der lokalen Tageszeitung bis zum überregionalen Nachrichtenmagazin, dann haben wir es mit einer „redaktionellen Linie“ zu tun.

Die Entmenschlichung des Dramas

Was macht dieses Schweigen mit uns, den Lesern? Es verändert die gesamte Wahrnehmung des Falls. Ohne den familiären Kontext, ohne das Wissen um die menschlichen Beziehungen, wird der Fall Fabian entpersonalisiert. Er wird zu einem bürokratischen Akt. Wir lesen eine Abfolge von formalen Schritten: Akte auf, Akte zu, Antrag gestellt, Antrag abgelehnt.

Die Geschichte wirkt dadurch seltsam steril, fast klinisch. Die Emotionen, die bei einem Kinderschicksal eigentlich hochkochen müssten, werden durch diese fehlende Verbindung gedämpft. Entscheidungen von Behörden wirken alternativlos, weil wir die menschlichen Voraussetzungen nicht kennen. Reaktionen der Beteiligten hängen im luftleeren Raum. Es entsteht ein Bericht, der informiert, ohne einzuordnen. Ein Bericht, der uns Fakten liefert, aber die Wahrheit vorenthält.

Diese Art der Berichterstattung erzeugt eine Illusion von Ordnung. Alles scheint seinen geregelten Gang zu gehen. Es gibt keine schmutzigen Details, kein Beziehungsdrama, das die saubere juristische Aufarbeitung stören könnte. Doch genau diese Ordnung ist künstlich. Sie basiert auf einer Leerstelle. Sie ist ein Haus, bei dem man das Fundament weggelassen hat, und wir alle tun so, als würde es sicher stehen.

Warum? Die Frage aller Fragen

Die brennende Frage, die sich nun stellt, ist das „Warum“. Warum weicht die deutsche Medienlandschaft hier so eklatant von ihren eigenen Standards ab? Warum wird ein Kontext, der in vergleichbaren Fällen – man denke an unzählige andere tragische Kinderfälle der letzten Jahre – standardmäßig geliefert wird, hier so eisern unter Verschluss gehalten?

Es gibt keine offizielle Erklärung. Keine Fußnote, die auf rechtliche Beschränkungen hinweist. Das Schweigen tarnt sich als Neutralität. Und genau das macht es so manipulativ. Wenn wir nicht wissen, dass uns etwas fehlt, suchen wir auch nicht danach. Wir akzeptieren die fragmentierte Erzählung als das vollständige Bild.

Das Fehlen der Eltern-Beziehung in der Erzählung stabilisiert eine bestimmte Version der Geschichte. Ohne familiären Kontext gibt es weniger Raum für Widerspruch, für alternative Deutungen, für das Hinterfragen von offiziellen Darstellungen. Es ist, als ob man uns eine Geschichte erzählt, aber die Kapitel herausschneidet, die uns zweifeln lassen könnten.

Wir werden gesteuert – durch das Ungesagte

Der Fall Fabian ist damit längst mehr als nur ein Kriminalfall oder ein juristisches Tauziehen. Er ist ein Lehrstück über Medienmacht. Er zeigt uns, wie Geschichten gemacht werden – nicht nur durch Worte, sondern durch Lücken.

Die Medien berichten nicht mehr nur, sie definieren den Korridor des Denkbare. Fragen nach Ermittlungsdetails sind erlaubt und erwünscht. Fragen nach der familiären Konstellation sind implizit verboten, weil sie im öffentlichen Diskurs gar nicht erst auftauchen. Es ist eine Form der Zensur, die ohne schwarzen Balken auskommt, weil der Text gar nicht erst geschrieben wurde.

Für uns als Medienkonsumenten ist das eine gefährliche Entwicklung. Wenn wir nicht mehr darauf vertrauen können, dass uns der relevante Kontext geliefert wird, verlieren wir die Orientierung. Wir werden zu passiven Empfängern von Fakten-Häppchen, die uns daran hindern, das große Ganze zu sehen.

Ein Appell an das kritische Denken

Dieser Artikel ist kein Aufruf zur Spekulation. Wir wissen nicht, wie die Beziehung der Eltern war, und wir wollen uns auch nicht an Gerüchten beteiligen. Aber wir müssen das Schweigen als das benennen, was es ist: Ein Skandal.

Es geht um journalistische Standards. Es geht um Transparenz. Wenn es Gründe gibt, Informationen zurückzuhalten – sei es zum Schutz der Persönlichkeitsrechte oder aus ermittlungstaktischen Erwägungen –, dann muss das benannt werden. Dann muss dort stehen: „Über die Beziehung der Eltern können wir aus rechtlichen Gründen nicht berichten.“ Aber einfach so zu tun, als existiere diese Ebene nicht? Das ist eine Täuschung des Publikums.

Der Fall Fabian bleibt ein Mysterium, nicht nur wegen der offenen juristischen Fragen, sondern wegen der Art und Weise, wie er uns präsentiert wird. Es liegt an uns, wachsam zu bleiben. Wir müssen lernen, nicht nur das zu lesen, was in der Zeitung steht, sondern auch das zu bemerken, was dort nicht steht. Denn manchmal ist das, was verschwiegen wird, lauter als jede Schlagzeile. Die Mauer des Schweigens im Fall Fabian steht noch. Aber wir haben begonnen, sie zu sehen.