Die späte Beichte der Rock-Ikone: Mit 81 Jahren gibt Mick Jagger zu, dass der Ruhm ihn „geistig unbefriedigt“ zurückließ – Was er wirklich bereut

Die Silhouette von Mick Jagger auf einer Bühne ist das ewige Symbol für unsterblichen Rock ’n’ Roll. Ein Mann, der seit mehr als sechs Jahrzehnten die Gesetze der Schwerkraft und der Konventionen außer Kraft setzt. Als Frontmann der Rolling Stones verkörpert er das kühne Chaos, das sich durch Skandale, Hymnen und unzählige Liebschaften zieht. Er ist der Vater von acht Kindern mit fünf Frauen, der Mitverfasser einiger der größten Songs der Musikgeschichte und der Inbegriff des Womanizers. Doch hinter der elektrisierenden Bühnenpräsenz, dem unverwüstlichen Charisma und dem ikonischen Mythos verbirgt sich ein Mann, der nun, mit 81 Jahren und der Weisheit eines langen Lebens, endlich den Vorhang lüftet.

Jagger hebt in jüngsten, intimen Gesprächen den Schleier über Wahrheiten, die Fans und Weggefährten lange vermuteten, aber nie ausgesprochen wurden. Die größte und vielleicht schockierendste Offenbarung: Das Dasein als Rockstar, so berauschend es auf der Bühne auch sein mag, hat ihn oft zutiefst unbefriedigt zurückgelassen. Er beschrieb seine berühmte Rolle als „intellektuell nicht fordernd“ und gestand, dass er in seiner Jugend ernsthaft darüber nachgedacht hatte, Lehrer oder Journalist zu werden – Wege, die ihm heute, in der Rückschau, als erfüllender erscheinen. Es ist eine erschütternde Beichte, die den Mythos auf den Kopf stellt: Der Mann, der alles hatte, jagte eigentlich einem anderen Traum hinterher.

Die zwei Leben des Michael Philip Jagger

 

Um die Tiefe dieser späten Erkenntnis zu verstehen, muss man zurück zu den Wurzeln. Mick Jagger, geboren am 26. Juli 1943 in Dartford, Kent, wuchs in einer Welt auf, die von Disziplin und Ehrgeiz geprägt war. Sein Vater, Basil Joe Jagger, war ein Sportlehrer, der Struktur und Konventionen verkörperte. Mick war ein pflichtbewusster, akademisch brillanter Schüler an der Dartford Grammar School, sammelte Bestnoten und sicherte sich ein staatliches Stipendium für die London School of Economics. Dort studierte er Finanzwesen und Rechnungswesen.

Für einen Moment schien es, als würde er den konventionellen Weg einschlagen, vielleicht in die Politik oder den Journalismus – Karrierepfade, die seine frühe Faszination für Schreiben und öffentliche Auftritte hätten nähren können. Jagger selbst reflektierte später, dass die Karriere eines Popstars und die eines Politikers vergleichbar seien, da beide Charisma und die Kunst der öffentlichen Inszenierung erforderten. Doch die Anziehungskraft des Blues war stärker als jeder Hörsaal.

Der Schicksalsmoment ereignete sich im September 1950, als der sechsjährige Mick seinen späteren, musikalischen Seelenverwandten Keith Richards an der Wentworth Primary School traf. Jahre später, am 17. Oktober 1961, besiegelte ein zufälliges Wiedersehen am Bahnsteig zwei des Dartford-Bahnhofs ihr Schicksal. Mick trug unter dem Arm seine wertvollsten Platten, Alben von Chuck Berry und Muddy Waters. Keiths Augen leuchteten auf. Dieses Wiedersehen war nicht nur die Wiederbelebung einer alten Freundschaft; es war die Zündung einer musikalischen Partnerschaft, die die Rockgeschichte für immer verändern sollte.

Ruhm, Tragödie und der Graben zwischen den „Glimmer Twins“

 

Der Weg der Rolling Stones von hoffnungsvollen Newcomern zu globalen Rockikonen ist eine Geschichte von ungezügelter Energie, Trotz und Überleben. Vom ersten Auftritt 1962 im Marquee Club bis zum weltweiten Erfolg mit Hymnen wie Satisfaction festigten sie ihr Image als das kantigere, gefährlichere Gegenstück zu den Beatles.

Doch mit dem Ruhm kam die Zerstörung. Die Drogenrazzien und Gerichtsverfahren von 1967, die Jagger und Richards wegen geringfügiger Delikte vor Gericht brachten, zementierten zwar ihr „Outlaw“-Image (dank des berühmten Leitartikels „Wer bricht eine Schmetterling auf einem Rad?“), doch sie markierten auch den Beginn einer Ära der ständigen Beobachtung und des Chaos.

Der erste tiefe, persönliche Verlust traf sie 1969 mit dem tragischen Tod von Brian Jones, dem Mitbegründer und brillanten Multiinstrumentalisten der Band, der im Alter von 27 Jahren in seinem Zuhause aufgefunden wurde. Nur Tage später standen die Stones im Hyde Park auf der Bühne, eine Gedenkveranstaltung, bei der Jagger, ganz in Weiß, ein Gedicht von Percy Bysshe Shelley las, bevor Tausende von Schmetterlingen in den Himmel entlassen wurden. Ein Moment von Trauer und Ehrung.

Die 1980er Jahre brachten den größten Riss in der „Glimmer Twins“-Partnerschaft zwischen Jagger und Richards. Jaggers Drang, eine Solokarriere zu starten, kollidierte mit Richards’ Hingabe an die Blues-Wurzeln der Band. Richards fühlte sich verraten, nannte Jagger verächtlich „Brenda“ und „Ihre Majestät“ und veröffentlichte später Memoiren, die ihre Beziehung als seit Jahrzehnten belastet beschrieben. Doch hinter all den öffentlichen Sticheleien verbarg sich eine unausweichliche Verbindung. Jagger räumt ein, dass die Rivalität mit der Zeit verbitterte, doch trotz der Spannungen ist es die musikalische Verbindung, die sie immer wieder zusammengeführt hat – stärker als alle Worte oder Differenzen es trennen könnten. Wie Richards es ausdrückte: Sie sind keine Freunde mehr, sondern Brüder, für immer verbunden durch Musik, Geschichte und das Gewicht all dessen, was sie gemeinsam aufgebaut haben.

Die Kosten der Liebe und der Verlust

Jaggers Privatleben war oft ebenso turbulent und chaotisch wie seine Auftritte. Seine Beziehungen und Vaterschaften spiegeln die Komplexität des Mannes hinter dem Mythos wider – ein Mann, dessen Herz von tiefen Freuden und schmerzhaften Verlusten gezeichnet ist.

Seine Beziehung zu Marianne Faithfull Mitte der 60er Jahre, die das swinging London verkörperte, war von Tragödie überschattet. Faithfull erlitt 1969 eine tief schmerzhafte Fehlgeburt einer Tochter, die Corina genannt werden sollte. Dieser Verlust war ein Wendepunkt und ein Vorbote für die Instabilität, die seine weiteren Beziehungen belasten sollte.

Die Ehe mit Bianca Pérez Mora Matzias hielt nur kurz. Trotz einer opulenten Hochzeit 1971 und der Geburt der gemeinsamen Tochter Jade, reichte Bianca 1978 die Scheidung ein – der Grund: Jaggers „zahllosen Affären“. Bianca sah schonungslos auf die Kosten, die es mit sich brachte, mit dem berüchtigtsten Womanizer des Rock and Roll verheiratet zu sein, und sagte, ihre Ehe sei am Tag der Hochzeit beendet gewesen.

Jerry Hall, das texanische Supermodel, wurde seine beständigste Partnerin der nächsten zwei Jahrzehnte und gebar ihm vier Kinder. Doch selbst ihre Geduld wurde durch seine Untreue überstrapaziert. Die Affäre mit dem brasilianischen Model Luciana Jimenez führte zur Geburt seines siebten Kindes, Lucas, und zerstörte die Beziehung zu Hall.

Den tiefsten und privatesten Schmerz seines Lebens erlebte Jagger jedoch viel später. Im Jahr 2014, während einer Tournee in Australien, traf ihn die Nachricht vom plötzlichen Tod seiner langjährigen Partnerin, der Designerin L’Wren Scott. Elegant, kreativ und zutiefst privat, war sie über ein Jahrzehnt seine stille Stütze gewesen. Der Verlust war zutiefst erschütternd. Zum ersten Mal zeigte der sonst so verschlossene Frontmann eine seltene, öffentliche Verletzlichkeit, die weit über das Image des unantastbaren Rockstars hinausging.

Späte Vaterschaft und neue Wege

 

Aus dieser Dunkelheit heraus fand Jagger Trost und neuen Lebenssinn mit der amerikanischen Ballettänzerin Melanie Hamrick. Im Jahr 2016 hieß er im Alter von 73 Jahren sein achtes Kind, Dever, willkommen – ein unerforschtes Terrain für den älteren Vater. Er gestand, dass sich die späte Vaterschaft ungewohnt anfühlte, er sei „aus der Übung“ und sein Ansatz sei nun entspannter, ein „laissez-faire“-Stil, aber er sei fest entschlossen, seinen jüngsten Sohn zu ermutigen und zu unterstützen, seinen eigenen Weg zu gehen.

Mit 81 Jahren ist der Hunger nach Dominanz einem Wunsch gewichen, einfach nur zu schaffen und sich zu verbinden. Seine jüngste Arbeit am Album Hackney Diamonds und die Zusammenarbeit mit Künstlern wie Lady Gaga und Paul McCartney spiegeln diesen Perspektivwechsel wider. Es geht nicht mehr darum, etwas zu beweisen, sondern darum, zu teilen. Jagger erkennt die Rivalität und die Konflikte, die er und Richards durch die Jahre ausgetragen haben – Auseinandersetzungen über Kontrolle, Vision und Ego, die das Band auf die Probe stellten, das einst auf einem Bahnsteig in Dartford begann.

Doch am Ende des Tages, nach all den Skandalen, dem Ruhm und dem Schmerz, blickt Mick Jagger mit ehrlicher Melancholie auf sein Leben zurück. Die Wahrheit ist, dass der Rock ‘n’ Roll ihm die Welt gegeben hat, aber er konnte ihm nicht die intellektuelle Erfüllung bieten, nach der er sich insgeheim sehnte. Seine Geschichte ist eine von unschätzbarem Talent, Unruhe und der späten Verwandlung eines Mannes, der erkennt, dass die aufregendste Performance nicht auf der Bühne stattfand, sondern im stillen Kampf, den Mann hinter dem Mythos zu finden.