Dezember 1945 6:45 30 m östlich einer zerstörten Steinscheune irgendwo im belgischen Grenzgebiet. Der Schnee war dünn, kaum fünf Zentimeter, aber ausreichend, um die Konturen der Landschaft zu verwischen. Obergefreiter Franz Bäcker lag flach auf dem gefrorenen Boden, die Wangen gegen das Eis gepresst und beobachtete durch sein Zielfernrohr eine schmale Straße, die sich zwischen kahlen Bäumen hindurchwand.

Sein Atem kondensierte in winzigen Wolken, die er kontrollierte, verlangsamte, fast zum Stillstand brachte. Neben ihm das K98 K. Die Waffe lag wie eine Verlängerung seines Körpers. Der Kolben fest an die Schulter geschmiegt, der Lauf perfekt ausgerichtet. 500 m entfernt bewegten sich Schatten. Amerikanische Infanterie.

Bäcker hatte diese Position seit 4:30 Uhr gehalten. 2 Stunden und 17 Minuten ohne Bewegung. Seine Finger waren taub, seine Beine steif, aber er wußte, daß der kleinste Fehler ihn verraten würde. Ein plötzlicher Glanz auf dem Zielfernrohr, eine unnatürliche Bewegung im Schnee, ein Atemzug zur falschen Zeit.

Die Amerikaner hatten in den letzten Wochen gelernt, vorsichtiger zu sein. Sie wussten inzwischen, was ein deutscher Scharfschütze bedeutete. Sie wußten, daß die Distanz keine Sicherheit bot. Sie wußten, daß jemand dort draußen war, unsichtbar, geduldig. Tödlich. Durch das Zielfernrohr sah Bäcker die ersten Details.

Vier Mann, vielleicht fünf. Sie bewegten sich langsam, die Gewehre im Anschlag, die Köpfe gesenkt. Einer trug eine Karte in der Hand. Ein Offizier, dachte Bcker. Vielleicht ein Leutnand. Die Gruppe blieb stehen. Der Mann mit der Karte zeigte auf etwas in der Ferne. Die anderen traten näher. Das war der Moment. Bäcker atmete aus.

langsam kontrolliert. Sein Finger fand den Abzug. Der Druck war vertraut, fast zärtlich. Das Zielfernrohr zeigte ihm den Brustkorb des Offiziers, klar und scharf, trotz der Entfernung, 512 m. Er hatte diese Distanz 100tm geübt. Das K98 K war präzise bis 800 m, in den richtigen Händen sogar weiter. Die Patrone 7,992 Dimen des 455 trug genug Energie, um Stahlhelme zu durchschlagen, Körperpanzer zu zerreißen, Leben in Sekunden Bruchteilen auszulöschen.

Becker drückte ab. Der Rückstoß war hart, aber erwartet. Das Geräusch des Schusses rollte über die verschneite Ebene. Ein kurzer, scharfer Knall, der sofort von den Bäumen geschluckt wurde. Durch das Zielfernrohr sah Bäcker, wie der Offizier zusammenbrach. Kein Drama, keine theatralische Geste. Der Mann fiel einfach, als hätte jemand die Fäden durchgeschnitten.

Die anderen vier erstarrten für einen winzigen Moment. Dann explodierten sie in Bewegung. Sie warfen sich zu Boden, suchten Deckung, schrien Befehle. Becker zog bereits den Verschluss zurück. Das leise Klicken des Mechanismus, das Auswerfen der leeren Hülse, das Nachladen der nächsten Patrone, alles Muskelgedächtnis, keine bewusste Entscheidung mehr.

Ein zweiter Amerikaner, der hinter einen umgestürzten Baum gesprungen war, machte den Fehler, seinen Kopf zu heben, nur für eine Sekunde. Bäcker zielte, atmete, drückte ab. Der zweite Schuss traf. Der Mann sackte hinter dem Baumstamm zusammen. Die verbleibenden drei Soldaten feuerten jetzt wild in alle Richtungen.

Sie wußten nicht, wo der Schütze war. Sie konnten ihn nicht sehen. Ihre Kugeln schlugen in Bäume, peitschten durch die Luft, schlugen in den Schnee. Aber keiner kam auch nur in die Nähe von Beckers Position. Das war das Problem mit dem K98 K aus der Perspektive der Alliierten. Es war kein Maschinengewehr, das seine Position durch kontinuierliches Feuer verriet.

Es war kein Mörser, der eine Rauchspur hinterließ. Es war eine einzelne Stimme des Todes, die aus dem Nichts sprach und dann wieder verstummte. Bcker wartete. Bewegung war jetzt tödlich. Die Amerikaner würden bald Verstärkung rufen. Vielleicht Artillerie, vielleicht Mörser. Aber bis dahin mußte er stillalthalten. Sein Körper schmerzte.

Die Kälte kroch durch seine Uniform durch die Wollschichten bis in die Knochen. Aber Schmerz war irrelevant. Schmerz war etwas für später, wenn er zurück war, wenn die Mission vorbei war. Jetzt gab es nur das Zielfernrohr, die Straße, die Feinde. 5 Minuten vergingen, dann zehn. Die drei überlebenden Amerikaner blieben in Deckung.

Sie bewegten sich nicht. Sie wußten, daß Bewegung den Tod bedeutete. Becker beobachtete sie durch das Zielfernrohr, studierte jede Falte ihrer Uniformen, jeden Schatten, jede winzige Regung. Dann endlich kroch einer von ihnen rückwärts, langsam, centimeterweise, versuchte sich aus der Schusslinie zu ziehen. Bäcker ließ ihn gehen.

Drei Schüsse waren genug. Mehr würde seine Position zu sehr gefährden. Er wartete, bis die Amerikaner außer Sicht waren. Dann begann er sich zurückzuziehen. Nicht schnell, nicht direkt. Er robbte rückwärts, Zentimeter für Zentimeter, das K98K fest an die Brust gedrückt, die Augen auf die Baumgrenze gerichtet. Nachzig Metern erreichte er eine flacheSenke.

Dort drehte er sich um und kroch weiter, bis er eine dichte Gruppe von Tannen erreichte. Erst dann stand er auf. Sein ganzer Körper schrie vor Erleichterung. Die Muskeln, die stundenlang verkrampft gewesen waren, begannen sich zu entspannen. Aber Bcker erlaubte sich keine Pause. Er wusste, was als nächstes kommen würde. Die Amerikaner würden die Gegend durchkämmen. Sie würden nach ihm suchen.

Sie würden jeden Baum, jeden Busch, jeden Graben kontrollieren. Er musste weg sein, bevor das begann. Er bewegte sich durch den Wald schnell, aber vorsichtig das K98 K in beiden Händen. Die Waffe war schwer, fast 4 kg, aber sie war sein Leben. Ohne sie war er nur ein weiterer Infanterist, austauschbar, verwundbar.

Mit ihr war er etwas anderes, etwas, das die Alliierten fürchteten. Minuten später erreichte er die deutsche Linie, ein Unterstand, notdürftig aus gefrorener Erde und Baumstämmen gebaut, halb in den Boden gegraben. Drei andere Soldaten saßen darin, rauchten, wärmten ihre Hände an einer kleinen Metalldose mit glühenden Kohlen.

Sie sahen auf, als Bäcker eintrat. Niemand fragte. Sie wussten, was er getan hatte. Sie sahen es in seinen Augen, in der Art, wie er die Waffe hielt, in dem dünnen Rauch, der noch aus dem Lauf aufstieg. Bcker setzte sich, lehnte das K98K gegen die Wand und nahm die Zigarette, die ihm jemand anbot. Er rauchte schweigend.

Draußen begann es wieder zu schneien. Dicke, schwere Flocken, die die Spuren verwischten, die alles bedeckten, was geschehen war. In ein paar Stunden würde die Straße wieder leer sein. Die Toten Amerikaner würden abtransportiert worden sein. Aber die Angst würde bleiben. Die Angst vor dem Unsichtbaren Schützen. Die Angst vor der Waffe, die aus unmöglichen Entfernungen tötete, die Angst vor dem K98K.

Das K98K war keine neue Waffe. Es war eine Weiterentwicklung des Gewehr 98, das bereits im Ersten Weltkrieg eingesetzt worden war. Aber zwischen den Kriegen hatten deutsche Ingenieure die Konstruktion verfeinert, verkürzt, optimiert. Das Ergebnis war eine Waffe, die in den Händen eines ausgebildeten Schützen zur Präzisionsinstrument wurde.

Der Verschluss arbeitete mit mechanischer Perfektion. Fünf Patronen im internen Magazin nachgeladen durch Ladestreifen in wenigen Sekunden. Das Zielfernrohr, meist ein ZF39 oder ZFTm40, vergrößerte das Ziel bis zu vierfach und machte Gesichter auf 600 m Entfernung erkennbar. Bäcker hatte sein K98K seit 18 Monaten.

Er kannte jede Macke, jede Eigenheit. Der Abzug brauchte exakt 1,8 kg Druck. Der Lauf zog minimal nach links bei Schüssen über sie Meter. Im Winter mußte das Gewehröl dünnflüssiger sein, sonst würde der Verschluss in der Kälte klemmen. Diese Details waren nicht Tubet nicht in Handbüchern zu finden. Sie waren das Ergebnis von hunderten Schüssen, dutzenden Einsätzen, unzähligen Stunden der Pflege und Wartung.

Dezember 1940 1420. östlich von Malmedi in einem zerstörten Bauernhaus. Bäcker lag im Obergeschoss versteckt hinter dem Rahmen eines ausgebrannten Fensters. Vor ihm erstreckte sich ein offenes Feld, etwa 400 m breit, dann eine Baumreihe, dahinter eine Anhöhe. Dort hatten die Amerikaner eine Beobachtungsstellung eingerichtet.

Bcker hatte sie zwei Stunden zuvor entdeckt, drei Mann, vielleicht vier. Sie wechselten sich ab. Einer beobachtete immer durch ein Fernglas. während die anderen in einem Graben Deckung suchten. Das Problem war die Distanz 640 m, weit, aber machbar. Das größere Problem war der Wind. Er kam von Nordwesten, böig und unberechenbar.

Bei dieser Entfernung konnte ein plötzlicher Windstoß die Flugbahn der Patrone um 30, 40 cm verschieben. Ein verfehlter Schuss würde die Position verraten und dann hätte Bäcker Sekunden, um zu verschwinden, bevor amerikanische Mörser das Bauernhaus in Schutt und Asche legten. Er studierte die Situation.

Der Wind bewegte die kahen Äste der Bäume. Stark, dann schwach, dann wieder stark. Er mußte den Moment finden, in dem der Wind pausierte, oder er mußte ihn in seine Berechnung einbeziehen. Bcker entschied sich für das Zweite. Er beobachtete die Bäume, zählte die Sekunden zwischen den Böhnen, suchte nach einem Muster. Nach 15 Minuten hatte er es.

Der Wind kam in Wellen. 5 Sekunden stark, dann 3 Sekunden Ruhe, dann wieder stark. In diesen 3 Sekunden musste er schießen. Der amische Beobachter hob sein Fernglas. Becker atmete langsam aus. Der Wind heulte, die Äste bewegten sich dann plötzlich Stille. Becker zielte leicht links vom Ziel, kompensierte die Entfernung, die Schwerkraft, die Restbewegung der Luft.

Sein Finger fand den Abzug, der Schuss brach die Stille wie Glas. Durch das Ziel Fernrohr sah Bäcker den Amerikaner zurückfallen. Das Fernglas fiel aus seinen Händen. Die beiden anderen sprangen aus dem Graben, versuchten zu verstehen, was geschehen war. Einer schaute direkt in Bäckers Richtung. Bäcker blieb regungslos.

Das Bauernhaus war 400 m entfernt und er war tief im Schatten des ausgebranntenFensters. Ohne direktes Mündungsfeuer oder Rauch war er praktisch unsichtbar. Der zweite Amerikaner beugte sich über den getroffenen Mann. Das war ein Fehler. Bäcker Lut nach, zielte, wartete auf die nächste Windpause. Sie kam, er drückte ab, der zweite Mann brach zusammen.

Der dritte Soldat warf sich zurück in den Graben und blieb dort. Bcker konnte förmlich spüren, wie die Panik den Mann erfasste. Zwei Kameraden tot in Sekunden aus einer unsichtbaren Quelle. Keine Ahnung, wo der Feind war. Keine Möglichkeit zurückzuschießen, nur die Gewissheit, das Bewegung den Tod bedeutete. Bcker wartete 10 Minuten, dann 20.

Der dritte Amerikaner rührte sich nicht. Schließlich, nach fast einer halben Stunde kroch der Mann rückwärts aus dem Graben, langsam, verzweifelt, vorsichtig. Bcker ließ ihn gehen. Dieser Mann würde zurückkehren und erzählen, was geschehen war. Er würde von dem deutschen Scharfschützen berichten, der aus unmöglichen Entfernungen traf, der unsichtbar war, der keine Fehler machte.

Er würde die Angst verbreiten. Das war die wahre Macht des KR90K. Nicht nur die Toten, die es hinterließ, sondern die Überlebenden. Jeder Soldat, der einen Kameraden neben sich fallen sah, ohne zu wissen, woher der Schuss kam, trug diese Angst weiter. Sie sprachen darüber in den Schützengräben, in den Unterständen, bei den Essensausgaben.

Die deutschen Scharfschützen mit ihren K98 K. Unsichtbar, geduldig, tödlich. Dezember 1947, 9:35 Uhr. Nördlich von St. Wiet. Bäcker lag auf einem Hügel getarnt unter einer weißen Plane, die mit Schnee bedeckt war. Unter ihm in einem flachen Tal bewegte sich eine amerikanische Kolonne, Lastwagen, Jeeps, ein paar leichte Panzer. Sie fuhren langsam, vorsichtig.

Die Fahrer wussten inzwischen, dass offene Straßen gefährlich waren. Aber sie hatten keine Wahl. Der Nachschub mußte durchkommen. Bckers Auftrag war nicht, die Kolonne zu stoppen. Das war unmöglich für einen Mann. Sein Auftrag war Chaos zu sähen, einen LKW-Fahrer zu töten, soß das Fahrzeug die Straße blockierte, einen Offizier auszuschalten, sodass die Befehle stockten, einen Funker zu eliminieren, sodass die Kommunikation zusammenbrach.

kleine Nadelstiche, die große Wirkung hatten. Er wartete, bis der vorderste LKW eine Position erreichte, an der ein Unfall die gesamte Kolonne zum Stillstand bringen würde. Eine enge Kurve, wo die Straße sich zwischen Felsen zwängte, dann zielte er auf den Fahrer. 450 m. Keine Windprobleme, klare Sicht. Er drückte ab.

Der LKW schlingerte, dann krachte er gegen die Felswand. Der Motor heulte auf. Dann verstummte er. Die Kolonne. Hielt. Soldaten sprangen aus den Fahrzeugen, suchten Deckung, schrien durcheinander. Bäcker Lut nach. Er zielte auf einen Offizier, der versuchte Ordnung in das Chaos zu bringen. Der Mann gestikulierte, zeigte auf den Hügel, schrie Befehle. Bäcker schoss.

Der Offizier fiel. Jetzt wussten die Amerikaner ungefähr, wo er war. Maschinengewehre begannen zu feuern, sprühten Kugeln über den Hügel, aber Bäcker lag zu tief, zu gut getarnt. Die Geschosse schlugen in die Felsen über ihm, wirbelten Schneewolken auf, aber keines kam nahe genug, um gefährlich zu sein.

Er robbte rückwärts, langsam, ohne plötzliche Bewegungen. Nach 50 m erreichte er eine Rinne, die ihn aus der Schusslinie brachte. Dort stand er auf und verschwand im Wald. Hinter ihm blieb eine blockierte Kolonne zurück. Der Nachschub würde Stunden brauchen, umzuleiten. Die Soldaten würden nervös bleiben, würden bei jedem Schatten zusammenzucken, würden die Baumreihen anstarren und sich fragen, ob dort draußen noch ein deutscher Scharfschütze lauerte.

Das K98K hatte wieder zugeschlagen und wieder hatte es seine Legende vertieft. In den amerikanischen Linien sprach man inzwischen offen darüber. Die deutschen Scharfschützen waren anders als alles, was sie kannten. Sie waren keine Soldaten, die einfach gut schießen konnten. Sie waren Geister. Sie tauchten auf, töteten, verschwanden.

Man fand keine Hülsen, keine Spuren, keine Hinweise, nur die Toten. Und die Angst bei den Überlebenden. Die Angst, die sich wie Frost ausbreitete. Dezember 1944, 5:15 Uhr. westlich von Baston in einem Waldstück, das die Amerikaner Deadman’s Grove zu nennen begonnen hatten. Bäcker lag unter einer umgestürzten Eiche, begraben unter Schnee und Laub.

Nur das Zielfernrohr ragte hervor, getarnt durch einen Streifen zerrissener weißer Fallschirmseide. Er war seit 3 Uhr morgens an dieser Stelle. Die Kälte hatte längst aufgehört, Schmerz zu sein. Sie war einfach da, ein konstanter Zustand, den sein Körper akzeptiert hatte. Vor ihm 300 m entfernt lag eine amerikanische Versorgungsroute, keine Hauptstraße, nur ein Feldweg, den Jeeps und leichte Fahrzeuge nutzten, um zwischen den Stellungen zu pendeln.

Aber Bcker hatte beobachtet, dass alle 20 Minuten ein Fahrzeug vorbeikam, regelmäßig wie ein Uhrwerk. Das bedeutete, jemand hatte diesen Weg alssicher eingestuft. Das war ein Fehler. Um hörte er das erste Motoreng. Ein Jeep, zwei Insassen. Der Fahrer hielt sich an die Mitte des Weges, vermiet die Ränder, wo Minen vermutet werden konnten.

Intelligent, aber nicht intelligent genug. Bcker wartete, bis das Fahrzeug die Zone passiert hatte, wo ein Schuss am effektivsten wäre. Zu früh und sie könnten zurückfahren. Zu spät und sie wären aus der Reichweite. Er ließ sie vorbeifahren. Dieser Jeep war nur Aufklärung. Er wartete auf wertvollere Ziele. 40zig Minuten später kam ein LKW.

Bcker konnte durch das Zielfernrohr die Plane auf der Ladefläche sehen, die Konturen von Kisten darunter, Munition vielleicht oder Verpflegung. Beides war wichtig. Er zielte nicht auf den Fahrer, das hätte das Fahrzeug zum Stillstand gebracht, aber andere hätten es schnell wieder in Gang gesetzt. Stattdessen zielte er auf den Vorderreifen.

Ein schwieriger Schuss, ein bewegliches Ziel. Aber Bcker hatte ihn hundertmal geübt. Der Schuss traf. Der Reifen explodierte. Der LKW schleuderte zur Seite, kippte fast, fing sich dann, kam schlitternd zum Stehen. Der Fahrer sprang heraus, fluchend verwirrt. Er sah sich um, versuchte zu verstehen, was geschehen war. Ein Reifenschaden, eine Miene.

Er bückte sich, um den Schaden zu untersuchen. Bcker schoss wieder. Der Mann fiel. Der Beifahrer schrie, warf sich hinter den LKW in Deckung. Bcker wartete. Keine Bewegung mehr. Gut, aber jetzt kam das Schwierige. Der LKW blockierte den Weg. Das nächste Fahrzeug würde anhalten müssen. Die Soldaten würden aussteigen, würden den Totenfahrer sehen, würden erkennen, dass ein Scharfschütze in der Nähe war.

Sie würden die Gegend durchkämmen. Bcker hatte vielleicht 10 Minuten bevor das begann. Er musste entscheiden, bleiben oder gehen. Er blieb. Die umgestürzte Eiche bot perfekte Deckung. Sein Tarnung war markellos und er wollte sehen, wie die Amerikaner reagierten. Er wollte ihre Taktik studieren, ihre Schwächen finden. 9 Minuten später hörte er mehr Motoren.

Zwei Jeeps diesmal. Sie hielten 50 m vor dem blockierten LKW. Soldaten stiegen aus, acht Mann, alle mit Gewehren. Ein Sergeant gab Befehle. Vier Mann sollten vorrücken, die anderen vier Deckung geben. Standard Infanterie Taktik. Bäcker beobachtete durch das Zielfernrohr. Die vier Männer bewegten sich vorwärts, geduckt, von Deckung zu Deckung.

Sie waren gut ausgebildet, vorsichtig, aber sie machten einen Fehler. Sie konzentrierten sich auf die Baumreihe rechts vom Weg, wo logischerweise ein Scharfschütze liegen könnte. Sie ignorierten den umgestürzten Baum links, weil er zu offensichtlich schien zu exponieren. Einer der vorrückenden Soldaten kam näher, 200 m, dann 180.

Er bewegte sich im Zickzack, blieb immer wieder stehen, suchte mit den Augen die Umgebung ab. Professionell, aber Bäcker war unsichtbar. Nicht einmal die besten Augen würden ihn unter der Schneedeckung und der Tarnung entdecken. Bei 150 m schoss Bäcker. Der Soldat brach zusammen. Die anderen drei warfen sich sofort zu Boden.

Der Sergeant hinter den Jeeps schrie etwas. Maschinengewehrfeuer peitschte über das Feld, aber es zielte auf die falsche Baumreihe, dorthin, wo sie den Mündungsblitz vermutet hatten. Bcker blieb regungslos, die Kugeln schlugen in Bäume 100 m rechts von ihm. Jetzt wurde es gefährlich. Die Amerikaner würden bald verstehen, daß ihre Annahme falsch war.

Sie würden den Winkel des Schusses analysieren, würden den Sektor erweitern. Bcker mußte sich zurückziehen, aber er konnte nicht einfach aufstehen und rennen. Jede Bewegung würde ihn verraten. Er begann sich Zentimeter für Zentimeter nach hinten zu schieben. Unter der Schneedecke, das K9890K flach gegen die Brust gedrückt.

Der Prozess war qualvoll langsam. Nach 5 Minuten hatte er 3 m zurückgelegt. Dann hörte er es. das dumpfe Pfeifen einer Mörsergranate. Sie hatten die Zone aufgegeben und riefen Artillerieunterstützung. Becker beschleunigte. Er robbte schneller, schob sich durch den Schnee, ignorierte die Zweige, die in seine Uniform stachen, ignorierte den brennenden Schmerz in seinen Armen.

Die erste Granate schlug 50 m vor ihm ein. Die Explosion war ohrenbetäubend. Erde und Schnee regneten herab. Die zweite folgte näher, dreiger. Becker spürte die Druckwelle, spürte, wie die Luft aus seinen Lungen gepresst wurde. Er erreichte eine flache Senke, rollte hinein, presste sich gegen den gefrorenen Boden.

Die dritte Granate explodierte genau dort, wo er vor 30 Sekunden gelegen hatte. Die umgestürzte Eiche wurde von der Wucht zerrissen. Holzsplitter flogen durch die Luft. Wenn er geblieben wäre, wäre er tot. Bcker wartete, bis die nächsten drei Granaten gefallen waren. Dann nutzte er die Pause, um weiterzukriechen. Der Wald war dichter hier, die Deckung besser.

Nach 20 Minuten erreichte er eine Position, die weit genug entfernt war. Er lehnte sich gegen einen Baum, atmete schwer, sein Herz hämmerte. Das K989 lag über seinen Knien, bedeckt mitSchnee und Schlamm. Er wischte das Zielfernrohr sauber, überprüfte den Lauf. Alles in Ordnung. Die Waffe hatte gehalten. Sie hielt immer. Aber die Amerikaner lernten.

Sie reagierten schneller, kamen mit mehr Feuerkraft, nutzten Artillerie ohne zu zögern. Das machte jeden Einsatz gefährlicher. Bäcker wusste, dass seine Überlebenschancen mit jedem Tag sanken. Nicht wegen mangelnder Fähigkeit, sondern wegen der schieren Anzahl. Für jeden deutschen Scharfschützen gab es hundert amerikanische Soldaten, die ihn suchten.

Irgendwann würde die Mathematik gegen ihn arbeiten. Irgendwann würde ein Fehler passieren, eine Sekunde zu langsam, eine falsche Entscheidung und dann würde er enden wie so viele andere. Aber noch nicht, noch nicht heute. Heute hatte das K98 K wieder gesprochen. Heute hatte die Angst wieder neue Nahrung bekommen.

Bäcker stand auf, wischte den Schnee von seiner Uniform und bewegte sich durch den Wald zurück zu den deutschen Linien. Hinter ihm tobte noch immer das Artilleriefeuer, pulverisierte eine Position, die längst verlassen war. Die Amerikaner würden später kommen, würden die Granattichter untersuchen, würden nach Spuren suchen. Sie würden nichts finden, nur die Gewissheit, dass der deutsche Scharfschütze entkommen war. Wieder einmal.

Dezember 1944 11:30 Uhr in einem provisorischen amerikanischen Feldlazarett 15 km westlich der Front. Ein junger Soldat, kaum 20 Jahre alt, lag auf einer bare und starrte an die Zeltdecke. Seine linke Schulter war bandagiert, die Wunde durch und durch, sauber versorgt, nicht lebensbedrohlich, aber seine Hände zitterten unkontrolliert.

Ein Sanitäter versuchte ihm eine Zigarette anzuzünden, aber der Soldat schüttelte nur den Kopf. Er sprach nicht. Er hatte seit 18 Stunden kein Wort gesagt, seit er hierher gebracht worden war. Der Arzt Captain Morrison kannte diese Symptome. Keine physische Ursache mehr. Die Wunde war versorgt, aber der Mann war gebrochen.

Morrison hatte in den letzten Wochen dutzende solcher Fälle gesehen. Soldaten, die funktionsfähige Körper hatten, aber deren Geist zerbrochen war. Sie hatten alle dasselbe erlebt. Sie hatten neben einem Kameraden gestanden, hatten ein Gespräch geführt, hatten gelacht vielleicht. und dann war der Kamerad einfach umgefallen. Kein Warnung, kein sichtbarer Feind, nur ein leises Knacken in der Ferne und ein Leben erlosch.

Das war die wahre Waffe des K98 K. Nicht die technische Präzision, nicht die Reichweite, nicht die Durchschlagskraft der 7,92 Simulitin Patrone. Das war nur Mechanik. Die echte Waffe war psychologisch. Sie war die Gewissheit, daß der Tod jederzeit kommen konnte aus einer Richtung, die man nicht vorhersehen konnte, von einem Feind, den man nicht sehen konnte.

Es gab keine Verteidigung dagegen. Kein Helm, keine Deckung, keine Taktik war absolut sicher. Man konnte nur hoffen, dass man nicht das nächste Ziel war. In den amerikanischen Einheiten hatte sich in den letzten Wochen eine neue Verhaltensweise entwickelt. Soldaten bewegten sich anders. Sie gingen nicht mehr aufrecht, selbst weit hinter den Linien.

Sie mieden offene Flächen, selbst wenn das einen Umweg von einer Stunde bedeutete. Sie sprachen leiser, rauchten nur in Deckung, vermieden es sich in Gruppen zu sammeln. Offiziere gaben keine Befehle mehr aus exponierter Position. Kartenlesen geschah hinter Mauern oder in Gräben. Ein Lieutenant der Satent Second Airborne hatte es in einem Brief nach Hause beschrieben.

Ein Brief, den die Zensoren später konfiszierten, aber dessen Inhalt sich trotzdem verbreitete. “Wir kämpfen nicht mehr gegen eine Armee”, hatte er geschrieben. “Wir kämpfen gegen Gespenster. Sie sind überall und nirgendwo. Du kannst einen ganzen Tag patroulieren, nichts sehen, nichts hören und dann fällt jemand neben dir und du weißt nicht einmal, aus welcher Richtung der Schuss kam.

Es ist als würde der Wald selbst töten. Das K9 war zu einem Symbol geworden. Nicht nur eine Waffe, sondern die Verkörperung einer bestimmten Art des Krieges. Eine Art, die nicht auf Masse setzte, nicht auf Feuerkraft, sondern auf Geduld, Präzision und psychologischen Terror. Ein einziger deutscher Scharfschütze konnte eine ganze Kompanie für Stunden lähmen.

Nicht, weil er alle töten konnte, sondern weil niemand sich bewegen wollte. Niemand wollte der nächste sein. Franz Bcker verstandß. Er hatte es in den Gesichtern der Überlebenden Amerikaner gesehen, die er durch sein Zielfernrohr beobachtet hatte, die Art, wie sie sich bewegten nach einem Schuss, wie sie sich zu Boden warfen, wie sie dort blieben, manchmal stundenlang aus Angst, dass eine einzige Bewegung ihr Ende bedeuten könnte.

Das war mehr wert als zehn getötete Soldaten. Das war strategischer Wert, der sich nicht in Zahlen ausdrücken ließ. Dezember 1945 Uhr, 15:40 Uhr. Bcker saß in einem Unterstand umgeben von sechs anderen Soldaten. Sie alle waren müde, ausgehungert, am Rand der Erschöpfung. Die Offensive, die so vielversprechendbegonnen hatte, stockte.

Die Amerikaner hielten Bastonie. Der Nachschub kam nicht mehr durch. Treibstoff wurde rationiert, Munition wurde knapp. Die Männer wußten, daß die Schlacht verloren ging, auch wenn niemand es laut aussprach. Aber sie kämpften weiter und Bäcker schoss weiter, jeden Tag, manchmal mehrmals am Tag. Das K98K sprach seine tödliche Sprache und die Amerikaner lernten sie zu fürchten.

In den letzten zwei Wochen hatte Bäcker 37 bestätigte Treffer erzielt. 37 Männer, die nicht mehr nach Hause zurückkehren würden, 37 Familien, die einen Telegramm erhalten würden. Aber die Zahl war irrelevant. Was zählte, war die Wirkung. Ein Unteroffizier betrat den Unterstand, rief Beckers Namen. Neuer Auftrag.

Eine amerikanische Beobachtungsstellung war entdeckt worden, mußte eliminiert werden. Bcker nickte, nahm sein K9899, überprüfte das Magazin, fünf Patronen. Er steckte zwei zusätzliche Ladestreifen in seine Tasche, zehn Schüsse insgesamt. Mehr brauchte er selten. Draußen schneite es wieder. Dicke Flocken, die die Sicht reduzierten, aber auch Deckung boten.

Becker bewegte sich durch den Wald, das Gewehr in beiden Händen, die Augen ständig in Bewegung. Er war allein. Scharfschützen arbeiteten meistens allein. Keine Beobachter, keine Unterstützung, nur der Mann, die Waffe und das Ziel. Nach 40 Minuten erreichte er die Position, die der Unteroffizier beschrieben hatte. Ein Hügel, von woaus man die deutsche Linie überblicken konnte.

Bcker kletterte auf einen Baum, vorsichtig, leise. Von dort oben hatte er freie Sicht. Er sah die amerikanische Stellung, drei Mann, ein Funkgerät, ein Fernglas. Sie gaben Koordinaten durch, leiteten wahrscheinlich Artilleriefeuer. Das musste aufhören. Die Entfernung betrug 580 m. Der Wind kam von rechts mittelstark. Bcker wartete.

Er hatte alle Zeit der Welt. Das war das Geheimnis, Geduld. Ein schlechter Scharfschütze schoss zu früh aus Nervosität aus dem Drang, die Mission zu beenden. Ein guter Scharfschütze wartete auf den perfekten Moment und Bäcker war gut. Nach 20 Minuten pausierte der Wind. Einer der Amerikaner stand auf, streckte sich unvorsichtig für einen Moment.

Bäcker zielte. Der Schuss durchbrach die Stille. Der Mann fiel. Die beiden anderen erstarrten, dann warfen sie sich in Deckung. Bcker lut nach, aber sie bewegten sich nicht mehr. Sie wußten, was passieren würde, wenn sie ihre Köpfe hoben. Sie blieben im Graben, das Funkgerät verstummt, die Beobachtung eingestellt, Mission erfüllt.

Bäcker kletterte vom Baum, verschwand im Wald. Hinter ihm lag eine weitere lämte amerikanische Einheit. Weitere Soldaten, die sich nicht mehr trauten, ihren Auftrag zu erfüllen. Weitere Männer, die die Legende des deutschen Scharfschützen weitertragen würden. In den Wochen nach der Schlacht, als die deutschen Truppen sich zurückzogen, als die Ardennenoffensive endgültig gescheitert war, blieb eine Sache zurück. Die Angst.

Amerikanische Soldaten, die in diesem Sektor gekämpft hatten, trugen sie mit sich, auch als sie in andere Frontachte verlegt wurden. Sie sprachen davon in den Pausen, am Lagerfeuer, in den Briefen nach Hause, die Deutschen Scharfschützen, die Männer mit den K989 K, die Gespenster des Waldes. Nach dem Krieg als Militärhistoriker die Schlacht analysierten, fanden sie heraus, dass die Anzahl der durch Scharfschützen getöteten alliierten Soldaten statistisch gering war.

Vielleicht 2 3% der Gesamtverluste, aber der psychologische Effekt war unverhältnismäßig groß. Einheiten, die unter Scharfschützenfeuer geraten waren, zeigten messbar verringerte Moral, langsamere Bewegung, zögerlichere Offensivaktionen. Das K981K hatte nicht die Schlacht gewonnen. Deutschland hatte die Ardennenoffensive verloren, hatte den Krieg verloren.

Aber die Waffe hatte etwas anderes erreicht. Sie hatte eine Furcht geschaffen, die über das Schlachtfeld hinausreichte, die in den Köpfen der Überlebenden weiterlebte, die zur Legende wurde. Franz Bcker überlebte den Krieg. Er kehrte nach Deutschland zurück, fand Arbeit in einer Fabrik, heiratete, bekam Kinder. Er sprach nie über seine Zeit als Scharfschütze.

Das K899 K, das ihn durch die Ardennen begleitet hatte, wurde irgendwo zurückgelassen, vergraben vielleicht, oder von einem anderen Soldaten aufgehoben. Es spielte keine Rolle. Die Waffe war nur Stahl und Holz gewesen. Die Legende war etwas anderes. Die Legende lebte in den Geschichten, die amerikanische Veteranen erzählten.

In den Nächten, in denen sie aufwachten, Schweiß gebadet, weil sie im Traum wieder das leise Knacken eines Schusses in der Ferne gehört hatten. In der Erinnerung an Kameraden, die neben ihnen gefallen waren, ohne Warnung, ohne Chance. Das war die Macht des K9z K nicht die Toten, die es hinterließ, sondern die Lebenden, die nie vergessen konnten.