Mai 1945. Der Krieg war vorbei, aber niemand konnte das Wort Frieden aussprechen. Die Luft roch nach Asche, nach kaltem Rauch, nach Angst. Überall lagen Städte in Trümmern und selbst der Himmel schien müde. Für die Frauen, die in einem Transportzug Richtung Westen fuhren, war das Ende des Krieges kein Ende.

 Es war nur ein Übergang von einer Hölle in eine andere, deren Gesicht sie noch nicht kannten. Sie trugen zerschlissene Uniformteile der Wehrmachtshilfsdienste, Feldblusen ohne Abzeichen, Röcke mit Rissen, Stiefel, deren Sohlen sich lösten. Einige hatten noch Zöpfe, die seit Wochen nicht mehr gewaschen waren. Der Ruß hatte ihre Gesichter grau gefärbt.

 Sie waren Funkerinnen, Schreibkräfte, Sanitätshelferinnen, kleine Räder in einer riesigen zusammengebrochenen Maschine. Jetzt waren sie Kriegsgefangene. Niemand sprach laut, nur das Quietschen der Eisenräder, das rhythmische Schlagen der Gleise. Eine Frau aus Dresden flüsterte: “Sie werden uns ausziehen, uns alle dann. Der Satz blieb in der Luft hängen. Alle wußten, was sie meinte.

 Sie hatten Geschichten gehört. Geschichten von Vergewaltigungen, Misshandlungen, Hunger, von Feinden, die keine Menschen waren. So hatte man es ihnen beigebracht, jahrelang. Der Zug bremste mit einem metallischen Kreischen. Die Frauen hielten sich aneinander fest. Als die Türen geöffnet wurden, blendete sie das Licht.

 Draußen standen Soldaten, Amerikaner, ordentlich, ruhig, kein Geschrei, kein Gewehrlauf, der sie traf, nur Befehle in einer Sprache, die sie kaum verstanden. Raus, Line ab. Sie folgten. Die Sonne lag hart auf ihren Gesichtern und das Land ringsum war leer, flach, friedlich. Ein seltsamer Frieden wie Spott. Die Frauen wurden gezählt, registriert, nach Gruppen getrennt. Sie erwarteten Schläge, erwarteten, daß man sie demütigen würde.

Doch nichts geschah. Ein Soldat deutete ihnen ihre Mäntel abzulegen. Der Schock ging durch die Reihen wie elektrischer Strom. Einige begannen zu weinen, andere ballten die Fäuste. “Jetzt also”, flüsterte jemand, “aber es war keine Strafe. Die Mäntel wurden eingesammelt, auf einen Haufen gelegt, desinfiziert.

Dann gab man ihnen Seife. Echte Seife, sie begriffen nicht.” Im nächsten Raum standen Duschen. Dampf stieg auf. Ein Offizier erklärte etwas, zeigte auf die Leitungen, auf Schilder mit der Aufschrift “The losing Station”. Niemand verstand das Wort, nur das eine ausziehen. Zögernd begannen sie ihre Kleidung abzulegen.

 Das Zittern kam nicht nur von der Kälte, sie fühlten sich nackt, nicht nur am Körper, sondern auch im Stolz. Doch niemand lachte, niemand fotografierte, niemand brüllte. Dann rauschte plötzlich Wasser aus den Düsen. Warmes Wasser. Nicht Gas, nicht Spott, sondern Wasser. Ein Strom, der den Schmutz, die Läuse, die Monate auf der Flucht fortspülte.

Einige schrien vor Schreck, andere begannen zu weinen. Diesmal anders. Tränen, die sie nicht stoppen konnten. Eine Frau, kaum älter als 23 dachte an ihre Mutter in Leipzig, die jetzt vielleicht in einem Keller saß, ohne Brot, ohne Licht. Hier in der Hand des Feindes tropfte sauberes Wasser auf ihre Haut. Der Widerspruch war unerträglich. Nach dem Duschen reichte man ihnen Handtücher und einfache Baumwollkleider.

Kein Spott, keine Erniedrigung, nur Routine. Ein amerikanischer Sergeant notierte Namen, nickte kurz ohne Emotion. Die Frauen wussten nicht, was sie daraus machen sollten. War es Gleichgültigkeit oder Mitleid? In der Baracke, in die man sie später brachte, roch es nach Holz und Seife.

 Betten standen in Reihen, decken gefaltet, Fenster mit Gitter, aber offen. Keine Schreie, kein Gestank nach Tod, nur Stille. Anna, die ehemalige Sekretärin aus München, schrieb in ihr kleines Notizheft: “Wir wurden befohlen, uns auszuziehen. Ich dachte, das wäre das Ende. Aber sie gaben uns Wasser, Seife, Kleidung. Ich kann es nicht begreifen. Vielleicht ist das die schlimmste Folter, nicht zu wissen, warum man lebt.

In der Nacht konnten viele nicht schlafen. Sie erwarteten, dass die Tür aufgestoßen würde, dass die eigentliche Grausamkeit noch kommen würde. Aber nichts geschah. Nur das ferne Zirpen von Grillen, der Wind durch das Drahtgeflecht. Manche weinten leise in ihre Decken, andere starrten an die Decke, unfähig zu begreifen.

 Es war nicht Gnade, die sie fühlten, sondern Verwirrung, denn sie hatten sich auf Hass vorbereitet und fanden Ordnung. Sie hatten Schmutz erwartet und bekamen Seife. Sie hatten Angst vor Entmenschlichung und wurden behandelt wie Menschen. Und genau das machte ihnen am meisten Angst. Am nächsten Morgen wurden sie durch ein metallisches Klirren geweckt, eine Glocke irgendwo draußen, dann Schritte, Stimmen auf Englisch.

 Die Sonne fiel durch das vergitterte Fenster und legte helle Streifen auf den Boden. Niemand sprach. Die Frauen warteten auf den nächsten Befehl auf den Moment, in dem die Tarnung der Höflichkeit fallen würde. “Aufstehen, line ab!”, rief ein amerikanischer Soldat durch die Tür. Seine Stimme klang nicht bedrohlich, nur müde, wie die eines Mannes, der diese Worte schon hundertmal gesagt hatte.

 Draußen stand eine Reihe Wachen, Gewehre über der Schulter, kein Gebrüll, kein Zorn. Der Wind trug den Geruch von Kaffee herüber. Echter Kaffee. Für die Frauen war das beinahe unerträglich. In den letzten Monaten hatten sie Wasser mit verkohltem Getreide getrunken und es Kaja Kaffee genannt.

 Jetzt roch die Luft nach etwas, das sie an Zuause erinnerte, an Morgen, bevor die Sirenen kamen. Sie wurden in Richtung eines großen Holzgebäudes geführt. Über der Tür hing ein Schild: Mess Hall. Die meisten verstanden es nicht, aber als sie hineintraten, verstanden sie alles. Der Geruch schlug ihnen entgegen. Gebratene Kartoffeln, Brot, etwas, das wie Fleisch roch.

 In langen Reihen standen Tische, auf denen Tablets vorbereitet waren. Amerikanische Soldaten in weißen Schürzen verteilten Essen, sprachen miteinander, lachen. Sogar. Die Frauen blieben stehen, unsicher, ob das eine Falle war. Ein sergeant, graue Augen, kurze Bewegungen winkte ungeduldig. Move, eat. Niemand rührte sich.

 Erst als eine junge Frau aus Hamburg nach vorne trat und ein Tablett nahm, folgten die anderen zögernd, mit Blicken, die mehr Angst als Hunger zeigten. Auf den Tellern lagen Kartoffeln, ein Stück Brot, etwas Eintopf. Es sah aus wie ein Festmal. Anna setzte sich an den Rand eines Tisches. Ihre Hände zitterten, als sie den Löffel nahm. Der Eintopf warm, dick, mit richtigen Gemüsestücken.

 Sie starrte auf den Teller, unfähig zu essen. Neben ihr schluckte jemand laut, ein Geräusch, das im Raum wiederte. Dann begann die erste zu essen. Schnell, fast gierig, als ob das Essen gleich wieder verschwinden würde. Anna probierte einen Löffel. Der Geschmack war so echt, daß ihr Tränen in die Augen schossen.

 Sie hielt den Löffel fest, als müsse sie sich daran erinnern, dass es Wirklichkeit war. “Sie wollen uns nur schwächen,” flüsterte jemand. Danach nehmen sie uns alles. Aber nichts geschah. Kein Spott, kein Gelächter, nur der Geruch von Eintopf, das Klirren von Metall auf Metall und der ruhige Tonfall der Wachen, die draußen vorbeigingen. Nach dem Essen wurden sie wieder in Reihen gestellt.

 Ein Arzt kam, Amerikaner mit einer Krankenschwester. Sie sahen sich die Frauen an, prüften Fieber, verteilten Tabletten. Eine Frau mit starkem Husten bekam eine Decke. Eine andere, deren Füße voller Wunden waren, wurde auf eine Trage gelegt und fortgebracht. Niemand wurde angeschrien, niemand wurde gestoßen.

 Diese Gesten trafen die Frauen härter als jede Drohung. Sie wußten nicht, was sie fühlen sollten. Mißtrauen mischte sich mit Erleichterung, Scham mit Hunger. In der Baracke setzte sich Anna auf ihr Bett und schrieb wieder in ihr Heft: “Heute haben sie uns Essen gegeben, ein Topf, Brot, sogar Kaffee. Ich habe gegessen, als hätte ich gestohlen. Niemand schrie, niemand schlug. Ich verstehe es nicht.

 Ich will ihnen nicht glauben. Aber mein Körper glaubt schon.” Später, als sie Wasser holen mußte, sah sie den jungen Wachmann mit dem Sommersprossengesicht. Er stand an der Ecke und rauchte. Als sie an ihm vorbeiging, nickte er kurz. Kein Lächeln, kein Hohn, nur ein stilles Nicken. Das bedeutete: “Ich sehe dich.

” Sie wusste nicht, wie sie reagieren sollte, also senkte sie den Blick. In den nächsten Tagen wiederholte sich die Routine. Wecken, zählen, Arbeit. Einige mussten Kartoffeln schälen, andere Wäsche waschen oder Latrinen säubern. Die Amerikaner beobachteten sie, aber ohne Grausamkeit.

 Manchmal redeten sie miteinander, halb in Englisch, halb mit Gesten. Eines Nachmittags, als Anna Wasser zum Waschraum trug, fiel ihr Eimer um. Sie fluchte leise. Ein Soldat kam, hob ihn auf und half ihr das Wasser neu zu holen. Er sagte etwas, dass sie nicht verstand, grinste kurz und ging weiter. Die Szene war so unscheinbar, dass sie ihr erst später einfiel, wie absurd es war, dass ein Feind ihr geholfen hatte. Am Abend gab es Brot und Suppe. Brot, weich, frisch, hell.

 Einige hielten es in den Händen, als wäre es heilig. Eine Frau aus Köln brach ein Stück ab, sah es an und begann zu weinen. “Mein Kind hat seit Monaten kein Brot gesehen”, sagte sie leise. Niemand antwortete. Alle wussten, dass diese Tränen mehr sagten als Worte. Die Tage vergingen, einer nach dem anderen, so gleichförmig, dass man die Zeit verlor.

Der Krieg schien weit weg, obwohl er in jedem ihrer Gesichter geschrieben stand. Der Alltag im Lager hatte etwas Unwirkliches, morgens das Leuten der Glocke, dann Zählappell, Frühstück, meist Haferbrei, Brot, manchmal sogar Marmelade. Danach Arbeit, Mittagseintopf, abends Suppe und Tee. Es war kein Luxus, aber es war genug. Und das allein war ein Schock.

 Manche Frauen, die beim Einmarsch zitternd ihre Schuhe verloren hatten, begannen wieder aufrecht zu gehen. Ihre Gesichter bekamen Farbe, ihre Haare glänzten nach den warmen Duschen. Der Hunger wich, aber etwas anderes wuchs. Ein stilles, quälendes Unbehagen. Anna arbeitete jetzt in der Wäscherei. Sie wusch Uniformen, Handtücher, Bettlaken, alles sauber, geordnet nach Listen.

 Der Geruch von Seife blieb an ihren Händen, ein süßlich sauberer Geruch, der sie an eine andere Welt erinnerte. Sie dachte oft daran, wie sie noch vor wenigen Wochen in Schutt und Rauch gestanden hatte, mit den Sirenen über München.

 Jetzt stand sie hier und wusch die Hemden von Männern, die ihr Land zerstört hatten, und spürte keinen Hass, sondern eine seltsame Lehre. In der Mittagspause saß sie mit zwei anderen Frauen im Schatten einer Baracke. Sie aßen still, das Brot zwischen den Fingern, als würden sie sich für jeden Bissen rechtfertigen müssen. Wenn meine Mutter das sähe, sagte die Jüngste, Lotte. Sie würde denken, ich hätte mich verkauft.

 Niemand lachte. Vielleicht ist es schlimmer, dass Sie uns nicht hassen, murmelte Anna. Die andere nickte. Ja, wenn sie uns schlagen würden, wäre es einfacher. Am Abend bekamen sie kleine Papierzettel, Lagergeld, das sie im sogenannten Kantin ausgeben konnten. Ein winziger Laden hinter Stacheldraht, geführt von amerikanischen Soldaten.

 Dort standen Zigaretten, Schokolade, sogar Briefpapier. Die Frauen gingen hin, unsicher, fast schuldig. Anna hielt eine Tafel Schokolade in der Hand. Der Geruch traf sie wie ein Schlag. Dunkel, süß, kindlich. Sie erinnerte sich an Weihnachten 199, bevor alles begann. Sie kaufte sie und teilte sie mit Lotte.

 Beide aßen schweigend, die Stücke zerschmolzen auf der Zunge. “Sie geben uns Schokolade”, flüsterte Lotte. Der Feind. Anna nickte nur. Worte hatten keinen Sinn. Mit der Zeit begann sie die Amerikaner zu beobachten. Sie sah, dass sie sich gegenseitig halfen, daß sie lachten, daß sie manchmal Lieder sangen, wenn sie Wachdienst hatten.

 Ihre Stimmen klangen leicht, fast sorglos. Es war eine fremde Leichtigkeit, eine, die sie nie gekannt hatte. Einmal fiel einem der Wachen ein Foto aus der Tasche. Es zeigte eine Frau mit zwei Kindern auf einer Veranda. Der Soldat hob es auf, sah Anna an, die gerade vorbeiging und hielt es kurz hoch, als wolle er sagen: “Meine Familie.” Sie nickte unbeholfen.

 “Zum ersten Mal erkannte sie in seinem Gesicht nicht den Feind, sondern einfach einen Mann, der heimweh hatte. Nachts schrieb sie: “Ich kann nicht glauben, dass sie Menschen sind wie wir, aber sie sind es. Ich sehe es und das tut weh. Denn wenn sie menschlich sind, was war dann alles, was wir geglaubt haben?” Die Gespräche in der Baracke wurden vorsichtiger.

 Früher hatten sie über Rückkehr, über Gerechtigkeit gesprochen. Jetzt schwiegen viele, wenn das Wort Amerikaner fiel. Einige begannen Englischwörter zu lernen, die sie beim Appell hörten. Andere halfen in der Küche und brachten heimlich kleine Reste, Kartoffeln, Butter, manchmal Zucker. Das Misstrauen blieb, aber es bröckelte.

 Jeder Tag, an dem keine Gewalt kam, nagte an dem Bild, dass sie so lange genährt hatte. Einmal wurde Anna krank. Fieber, Husten, Erschöpfung. Eine amerikanische Krankenschwester, jung, hellhaarig, brachte ihr Tabletten und Wasser. “Take this”, sagte sie leise, dann prüfte sie mit kühler Hand Annas Stirn. Anna wollte etwas sagen, aber kein Wort kam.

 Sie hatte seit Jahren keine sanfte Berührung gespürt. Als die Frau ging, drehte Anna sich zur Wand und weinte lautlos. Nicht vor Schmerz, vor Scham. In den folgenden Tagen beobachtete sie die anderen, wie sie wieder lachten, flüsterten sich sogar stritten um Kleinigkeiten. Dinge, die man nur tut, wenn man lebt. Das Lager, das sie als Gefängnis gesehen hatten, begann sich anzufühlen wie ein seltsamer geordneter Zufluchtsort.

 Doch mit jeder Mahlzeit, jedem freundlichen Blick, jedem Stück Brot wuchs ein neuer Zweifel. Was, wenn der Feind die Menschlichkeit nie verloren hatte? Was, wenn sie selbst es gewesen waren, die sie aufgegeben hatten? Eines Abends, während die Sonne hinter dem Zaun verschwand, sagte Anna zu Lotte: “Ich glaube, ich habe mehr Angst vor ihrer Güte als vor ihren Waffen.

” Lotte sah sie an. Lange, dann nickte sie. Ich auch. Die Nacht war still, nur das Summen der Insekten, das ferne Klappern von Metall. Und irgendwo im Dunkeln hörte man eine Melodie, eine Mundharmonika, gespielt von einem amerikanischen Soldaten. Die Töne waren weich, melancholisch und für einen Moment glaubte Anna, sie erkenne das Lied, ein altes Volkslied, das auch in Deutschland gesungen wurde.

 Sie drehte sich im Bett um, schloss die Augen und zum ersten Mal seit Jahren hatte sie Angst, dass ihr Hass verschwinden könnte. Der Herbst kam leise, fast unbemerkt. Das Licht wurde weicher, die Luft kühler. In den Feldern um das Lager färbten sich die Bäume gelb und braun. Die Tage wurden kürzer, aber die Routine blieb. Wecken, Zählen, Arbeit, Essen, Schlaf.

 Ein immer gleicher Rhythmus, der die Frauen gleichzeitig beruhigte und verwirrte. Anna hatte das Gefühl, ihr altes Leben löse sich Schicht für Schicht auf. Die Angst, die sie am Anfang begleitet hatte, war verschwunden. Aber an ihrer Stelle stand etwas anderes, eine Unruhe, die sie nicht benennen konnte.

 Sie konnte sich nicht mehr daran erinnern, wann sie das letzte Mal den Namen des Führers ausgesprochen hatte, ohne dass es hohl klang. Früher war er in jedem Satz gewesen, in jeder Pflicht, in jedem Befehl. Jetzt schien das Wort sinnlos wie eine fremde Sprache aus einer anderen Welt. Eines Morgens, während sie Wäsche aufhängte, kam der junge amerikanische Soldat mit den Sommersprossen vorbei. Er grüßte sie mit einem Nicken.

 “Good Morning”, sagte er beiläufig. Sie antwortete zögernd, kaum hörbar. “Guten Morgen.” Er lächelte, nur kurz, aber ehrlich. Später, als sie allein war, dachte sie über dieses Lächeln nach. Es war nichts Besonderes. Und doch hatte sie das Gefühl, dass etwas in ihr zerbrochen war. leise, unsichtbar, aber endgültig. Am Abend erzählte sie Lotte davon. “Er hat mich gegrüßt”, sagte sie.

 “un nichts, aber es fühlte sich normal an.” Lotte schwieg. Nach einer Weile meinte sie: “Vielleicht ist das Schlimmste, dass es sich normal anfühlt.” Im Lager sprach man inzwischen weniger über Heimkehr und mehr über das Hier und Jetzt. Einige hatten begonnen, kleine englische Wörter zu benutzen. “Thank you, sorry, good night.” Es war nicht erlaubt, aber niemand bestrafte sie dafür.

 Die Amerikaner schienen eher belustigt als verärgert. Eines Tages brachte ein Soldat eine Kiste in die Baracke. Bücher, alte gebrauchte Bücher. Einige auf Englisch, andere auf Deutsch. Er stellte sie auf einen Tisch, deutete mit der Hand und sagte: “Fore reading”. Die Frauen starrten ihn an, als hätte er ihnen eine Falle gestellt.

 Doch als er ging, stürmten sie fast darauf zu. Anna fand ein abgegriffenes Exemplar von Jane Air. Sie verstand nur die Hälfte, aber die andere Hälfte fühlte sie. Sie las abends bei schwachem Licht die Buchseiten zwischen den Fingern, als hielte sie etwas Lebendiges. “Sie haben uns Bücher gebracht”, schrieb sie in ihr Heft. “Nicht Waffen, nicht Befehle, Bücher.

 Ich weiß nicht, ob das Gnade ist oder Strafe. Sie zeigen uns, dass es eine Welt gibt, in der niemand schreit.” Das Lager veränderte sich. Manchmal hörte man Musik aus dem Wachhaus. Jazz, schnelle Rhythmen, Trompeten. Diese Musik war verboten gewesen, entartet, wie man es früher genannt hatte. Jetzt klang sie wie Freiheit, wie Leben selbst.

 Einige Frauen begannen heimlich zu summen, andere tanzten kurz, wenn sie glaubten, niemand sehe es. Zum ersten Mal seit Jahren lachten sie ohne Angst und jedes Lachen machte sie zugleich froh und schuldig. Eines Abends wurde im Lager ein Film gezeigt, eine amerikanische Dokumentation über den Krieg, über Konzentrationslager, über Gefangene, über Leichenberge.

 Die Frauen saßen still, einige mit offenem Mund, andere mit leerem Blick. Niemand sprach. Die Bilder waren zu grausam, zu echt. Nach dem Film herrschte Stille. Niemand wollte zurück in die Baracke. Anna saß lange da, unfähig sich zu bewegen. Sie hatte immer geglaubt, vieles seien Übertreibungen, Feinpropaganda, aber die Kamera hatte nicht gelogen. Was sie gesehen hatte, ließ sich nicht mehr leugnen.

 Später in der Nacht schrieb sie: “Wenn das wahr ist, was wir gesehen haben, dann waren nicht sie die Tiere, dann waren wir es.” Die Zeilen machten ihr Angst. Sie wollte das Heft verbrennen, aber sie konnte es nicht. Sie las sie wieder und wieder, bis ihr die Augen zufielen. Am nächsten Tag spürte sie, dass sich etwas zwischen den Frauen verändert hatte.

 Man sprach leiser, blickte sich seltener in die Augen. Die alte Gewissheit, dass sie Opfer waren, dass sie nur Befehle befolgt hatten, begann zu bröckeln. Selbst die Amerikaner schienen es zu bemerken. Ihre Haltung war die gleiche, aber in ihren Blicken lag etwas wie Mitgefühl. Kein Spott, keine Freude über den Sieg, nur müdes Verständnis. Anna begann das Mißstrauen zu verlieren, nicht aus Dankbarkeit, sondern aus Erschöpfung.

 Es war einfacher zu akzeptieren, dass sie überlebt hatte, weil jemand anders Mensch blieb, während ihre eigene Welt es verlernt hatte. Abends, als die Sonne unterging und das Lager in goldenes Licht tauchte, stand sie am Zaun und sah auf das Land dahinter, ruhig, grün, friedlich.

 Sie wusste, dass jenseits dieses Zauns noch immer Hunger herrschte, dass ihr Zuhause in Trümmern lag, aber hier, auf dieser Seite, herrschte Ordnung und Menschlichkeit. Zum ersten Mal fragte sie sich, ob die Wahrheit vielleicht nicht in den Parolen lag, sondern in einfachen Dingen. In Seife, in einem Lächeln, in einem Stück Brot.

 “Ich habe gelernt zu überleben”, schrieb sie an diesem Abend. “aber schlimmer ist zu lernen, dass der Feind menschlicher war als wir selbst.” Der Winter kündigte sich früh an. Morgens hing Nebel über dem Lager. Die Luft roch nach feuchtem Holz und kaltem Metall. Die Frauen zogen ihre dünnen Mäntel enger um die Schultern, frohoren trotz Decken, aber niemand beschwerte sich.

 Sie hatten gelernt, daß es schlimmeres gab als Kälte. In diesen Wochen geschahen Dinge, die sich tief in Annas Erinnerung brannten. Kleine unscheinbare Gesten, die mehr bewirkten als Befehle oder Worte. An einem besonders kalten Tag fiel Schnee, weiß, still wie ein Fremdkörper in der Welt der Baracken.

 Die Frauen standen in Rei und Glied, während ein amerikanischer Offizier die Namen verlaß. Als eine der Älteren, Frau Bergmann, plötzlich zusammenbrach, rannte ein junger Soldat sofort zu ihr. Ohne Zögern kniete er sich in den Schnee, hob sie hoch, trug sie ins Sanitätszelt. Niemand lachte, niemand kommentierte es. Er tat es, als sei es selbstverständlich. Später, als sie wieder zu Kräften kam, brachte er ihr eine Tasse heißen Tee.

Sie starrte ihn an, unfähig etwas zu sagen. Anna beobachtete das aus der Ferne. Der Anblick war ihr so fremd, dass er sie schmerzte. Der Feind, der ihre Heimat bombardiert hatte, hielt jetzt die Hand einer deutschen Frau, um ihr Kraft zu geben. Ein anderes Mal bei der Arbeit in der Küche, schnitt sich Lotte tief in den Finger. Blut tropfte auf das Holzbrett und sie fluchte leise.

Einer der Köche, ein Amerikaner mit dunkler Haut, den sie bislang nur aus der Ferne gesehen hatten, kam sofort, nahm ihr vorsichtig das Messer aus der Hand und wickelte ein sauberes Tuch um ihre Wunde. Er sagte kein Wort, nur sein Blick war ruhig, ernst, fürsorglich.

 Später erzählte Lotte, dass er, als sie ihm danken wollte, nur gelächelt und mit dem Kopf geschüttelt hatte. “Er hat dunkle Haut”, sagte sie abends noch immer verwirrt. “Us hat man erzählt, solche Männer seien wild, gefährlich, aber er war der einzige, der mir geholfen hat.” Niemand wusste, was sie darauf antworten sollte. Einige Tage später kam eine Lieferung aus der Stadt, Kleiderspenden.

 Die Frauen standen in Reihen, während Kisten geöffnet wurden. Drinnen lagen Pullover, Strümpfe, Schals. Der amerikanische Sergeant ließ sie der Reihe nach vortreten. Keine Beschimpfungen, keine Erniedrigung, nur sachliches Verteilen. Als Anna an der Reihe war, hielt er kurz inne, musterte sie und reichte ihr eine graue Wolljacke. Sie war fast neu.

warm, sagte er schlicht. Sie nahm sie mit stummen Lippen entgegen. Der Stoff war weich, wärmte sofort. Sie spürte Tränen, kämpfte dagegen an, doch sie kamen trotzdem. Später schrieb sie: “Ich habe die Jacke eines Feindes getragen und sie war wärmer als jede, die mir mein eigenes Land je gegeben hat.

 Diese Dinge häuften sich. Sie waren nicht laut, nicht heroisch, aber sie veränderten alles. Einmal während eines Schneesturms fiel der Strom aus. Die Baracken lagen in Dunkelheit. Die Frauen saßen zusammen, fröstelnd, unsicher, ob sie Licht machen durften. Dann kam ein Soldat mit einer Laterne, stellte sie mitten in den Raum, nickte und ging wieder.

 Das kleine Licht reichte, um Gesichter sichtbar zu machen. Sie sprachen leise, erzählten Geschichten aus der Zeit vor dem Krieg, von Familien, von Kindern, von Tanzabenden. Zum ersten Mal seit Monaten klang das Lachen wieder echt. Anna merkte, dass sie begann, die Amerikaner mit anderen Augen zu sehen. Sie waren keine Helden, keine Heiligen. Aber sie waren auch keine Monster.

 Sie wirkten oft müde, manchmal auch traurig. Einige sprachen von zu Hause, zeigten Fotos, lachten über belanglose Dinge. Sie sah, dass sie dieselben Gesten machten wie die Männer, die sie einst kannte. Und sie fragte sich, ob Menschlichkeit vielleicht nichts mit Nation zu tun hatte.

 Im Frühjahr wurden einige der Frauen in die nahe gelegene Stadt geschickt, um beim Wiederaufbau zu helfen. Unter Aufsicht, aber ohne Fesseln. Sie räumten Trümmer, sortierten Ziegel, halfen in Bäckereien. Die Stadt war intakt, friedlich und doch war der Anblick kaum zu ertragen. Schaufenster voller Brot Kinder, die lachten Männer in sauberen Anzügen. “Wie ist das möglich?”, flüsterte Anna.

 “Wie konnten sie leben, während wir starben?” Niemand antwortete. In einer der Bäckereien fiel ein kleiner Junge hin, als sie vorbeiging. Anna hob ihn instinktiv auf. Seine Mutter, eine Amerikanerin, lächelte dankbar. Thank you”, sagte sie. Anna nickte. Zum ersten Mal seit Jahren fühlte sie sich nicht wie eine Gefangene, sondern einfach wie ein Mensch.

 Doch die Rückkehr ins Lager war schwerer als sonst. Das Bild der amerikanischen Stadt ließ sie nicht los. Sie dachte an München, an das, was übrig war. Ruinen, Hunger, Tod. und sie begann zu begreifen, daß der Krieg ihr nicht nur Heimat und Sicherheit genommen hatte, sondern auch das Maß für gut und Böse.

 Am nächsten Abend saß sie auf der Stufe vor der Baracke, sah in den Himmel und dachte an ihren Bruder, der an der Ostfront gefallen war. “Er hat für eine Lüge gekämpft”, flüsterte sie, und ich habe für dieselbe Lüge gearbeitet. Lotte setzte sich neben sie. Vielleicht kämpfen wir jetzt für etwas anderes”, sagte sie leise. “Für was?” “Für die Wahrheit.” Sie schwiegen eine Weile.

 Dann hörten sie wieder Musik aus dem Wachhaus, ein amerikanisches Lied, fröhlich, leicht. Anna lächelte schwach. Zum ersten Mal gefiel ihr diese Musik. Nicht, weil sie amerikanisch war, sondern weil sie sie daran erinnerte, dass man leben konnte, ohne Hass im Herzen zu tragen. In dieser Nacht schlief sie ruhig. Kein Traum, keine Schreie, kein Donner, nur Stille.

 “Ich beginne zu verstehen”, schrieb sie am nächsten Morgen. “Nicht Sie haben mich besiegt. Die Wahrheit hat es getan und sie ist gnädiger, als ich dachte.” Der Transport kam im Frühsommer. Die Nachricht verbreitete sich im Lager wie ein Windstoß. Rückführung. Die Frauen sollten nach Deutschland zurückgebracht werden.

 Niemand jubelte, einige weinten, andere blieben stumm. Es war das, worauf sie monatelang gewartet hatten. Und doch hatte das Wort Heimkehr seinen Glanz verloren. Am Morgen der Abreise standen sie in Rhein, die Taschen mit wenigen Habseligkeiten in der Hand. Anna trug die graue Wolljacke, die ihr amerikanische Sergeant gegeben hatte. Sie roch noch schwach nach Seife. Die Sonne schien, die Luft war mild.

 Vögel sangen über dem Lager, als wäre nichts geschehen. Die Amerikaner übergaben sie an andere Offiziere, wünschten “Good luck” oder nickten nur. Einige der Frauen antworteten, andere konnten es nicht. Zu viele widersprüchliche Gefühle lagen in der Luft. Der Zug fuhr los. Durch die Fenster zogen Felder, Dörfer, unversehrte Städte, Häuser mit intakten Dächern, Kinder auf Fahrrädern, Läden voller Leben.

 Dann kam die Grenze und mit ihr änderte sich alles. Je weiter sie nach Osten fuhren, desto grauer wurde die Landschaft. Straßen aufgerissen wie Wunden, verlassene Dörfer, Männer in zerrissenen Uniformen, Frauen mit leeren Blicken, Kinder mit aufgeschwemmten Gesichtern, Deutschland, aber nicht mehr das Land, das sie kannten.

 Als sie in München ankamen, war es still. Die Stadt war kaum wieder zu erkennen. Trümmer, Staub, Ruinen, kein Glockenleuten, kein Verkehr, kein Lachen, nur Wind, der durch zerbrochene Fenster pfiff. Anna stieg aus, das Herz schwer. Der Geruch von Asche, der ihr in Amerika fremd geworden war, kehrte zurück, vertraut, aber furchtbar.

 Sie fand den Platz, wo einst ihr Elternhaus gestanden hatte. Nur ein Stück Mauer blieb, verkohlt und von Efeu überwuchert. Eine Nachbarin erkannte sie, älter, dünner, mit eingefallenen Wangen. Anna, sie nickte. Deine Mutter ist tot, dein Bruder. Man sagt, er sei in Russland geblieben. Die Frau sprach ohne Emotion, als hätte sie solche Nachrichten zu oft überbracht.

 Anna stand lange zwischen den Trümmern, unfähig zu weinen. Sie fühlte sich fremd im eigenen Land. In den folgenden Tagen kam das Gefühl der Ernüchterung. Die Menschen sahen sie misstrauisch an, wenn sie erfuhren, daß sie in amerikanischer Gefangenschaft gewesen war.

 “Bei den Amerikanern?” fragte einer mit einem bitteren Lachen. “Dann hast du wohl gut gegessen.” Sie senkte den Blick. Es war die Wahrheit und zugleich die größte Scham. In der Notunterkunft, wo sie unterkam, roch es nach feuchter Kleidung und Kohl. Kinder husteten, Frauen warteten stundenlang auf eine schale Suppe. Anna teilte ihre Ration still. Sie aß kaum. Jeder Bissen schmeckte nach Schuld.

 Manchmal träumte sie von dem Lager, vom Klang der Glocke, vom Lächeln des Soldaten, vom Geruch von Kaffee. Sie wachte auf und wusste nicht, ob sie Sehnsucht oder Reue empfand. Eines Tages erhielt sie eine Dose Konserven aus einem Hilfspaket mit amerikanischem Etikett. US Relief. Sie hielt sie lange in den Händen, unfähig, sie zu öffnen.

 Wieder fütterte der Feind sie. Wieder zeigte er, was ihr eigenes Land verloren hatte. Menschlichkeit. In der Unterkunft hörte sie andere fluchen. “Die Amerikaner tun das nur, um uns klein zu halten”, sagte ein Mann, “damit wir uns schämen.” Anna schwieg. Vielleicht hatte er recht, aber tief in ihr wusste sie, dass das nicht alles war.

 Sie erinnerte sich an die Wachen, an die Krankenschwester, an die kleinen Gesten, die kein Kalkül waren. Sie waren einfach menschlich gewesen. Eines Abends nahm sie ihr altes Heft aus der Tasche, das sie seit Monaten nicht mehr geöffnet hatte. Die Seiten waren vergilbt, an den Rändern wellig. Sie las ihre eigenen Worte. Wir wurden befohlen, uns auszuziehen.

 Ich dachte, das sei das Ende. Aber sie gaben uns Seife, Wasser, Brot. und sie sahen uns an, als wären wir Menschen. Sie schrieb weiter, zögernd, aber entschlossen: “Ich habe gelernt, daß der Feind nicht immer grausam ist. Manchmal ist er das, was man selbst nicht mehr sein konnte. Menschlich, das ist die schwerste Wahrheit und die einzige Hoffnung.

” Sie schloss das Heft und legte es unter ihr Kopfkissen. Draußen fiel Regen auf die Trümmer. Er wusch den Staub fort, aber nicht die Erinnerung. In den nächsten Wochen begann sie in einer kleinen Bäckerei zu arbeiten. Die Besitzerin, eine Witwe, nahm sie ohne viele Fragen auf. Manchmal kamen amerikanische Soldaten vorbei, um Brot zu kaufen. Sie sprachen gebrochenes Deutsch, lächelten höflich.

 Anna verkaufte ihnen still das Brot, reichte das Wechselgeld ohne ihre Hand zurückzuziehen. Sie sah in ihren Gesichtern nicht mehr den Feind, nur Menschen, die genau wie sie nach einem Ort suchten, an dem man wieder anfangen konnte zu leben. An einem Abend, als sie den Laden abschloss, blieb sie auf der Schwelle stehen. Die Straßen waren leer, der Himmel grau.

 Sie atmete tief ein, der Regen hatte aufgehört. In der Ferne hörte sie Kinder lachen. Vielleicht, dachte sie, konnte man eines Tages vergessen. Nicht die Schuld, nicht die Toten, aber den Haass. Sie zog die Wolljacke enger um sich. Der Stoff war dünner geworden, aber immer noch warm. “Vielleicht”, schrieb sie in ihr Heft, “war die Gefangenschaft kein Ende. Vielleicht war sie der Anfang zu begreifen, was Menschlichkeit bedeutet.

” Und mit diesem Gedanken ging sie heim, nicht zu einem Ort, sondern zu einem neuen Verständnis von Welt. Einem, in dem der Feind Brot gibt, wo Freunde versagt haben, einem, in dem Güte gefährlicher ist als jede Waffe. Denn sie hatte gelernt, dass der Krieg nicht endete, als die Waffen schwiegen. Der wahre Krieg begann erst, als sie begriff, wie falsch sie die Menschen gesehen hatte.

 Und dieser Krieg, der Kampf zwischen Hass und Menschlichkeit, würde sie bis zum Ende ihres Lebens begleiten. Die Nächte wurden ruhiger, aber die Gedanken nicht. Jede fragte sich, wann die Fassade fallen würde, wann sie die Gewalt sehen würden, von der sie gehört hatten. Doch die Tage vergingen und nichts dergleichen geschah.

 Nur Arbeit, Essen, Schlaf, Ordnung. Einmal beim Abendappell bemerkte Anna, wie ein Soldat ein Insekt vom Fensterbrett schnippte, anstatt es zu zerdrücken, eine winzige bedeutungslose Geste. Und doch blieb sie ihr im Kopf. Vielleicht, dachte sie, sind Monster ordentlicher, als man denkt, oder vielleicht sind sie gar keine Monster.

 Sie wollte diesen Gedanken sofort verjagen, aber er blieb wie ein schwacher Ton, der nicht aufhört im Ohr zu klingen.